Rundbrief 11
Liebe, treue und mutige Freunde und Unterstützerinnen,
Sehr geehrte Damen und Herren
Bitte entschuldigt die Wartezeit auf diesen Brief, den ich nun ausnahmsweise wieder einmal als gleichlautenden Rundbrief verfasse, um Euch nun möglichst alle ohne weiteren Verzug anzuschreiben.
Seit dem Artikel in der NZZ fühle ich mich wie innerlich erstarrt. Seither und erst recht seit ich am Mittwoch (14.06.) von Martin schon einen ganzen Stapel Ausdrucke von Mails nachgeschickt bekam, ganz zu schwelgen von den diversen mündlich ausgerichteten Glückwünschen und Solidaritätsbekundungen, versuche ich mich irgendwie darauf zu konzentrieren, Antworten auf die vielen freundlichen, ermutigenden, ja, liebevollen Bekundungen zu verfassen. Es fiel mir anfangs schwer, auch nur einen vernünftigen Satz hinzukriegen und ich benötige Pausen weit öfter und länger als gewöhnlich.
Langsam scheint es zu bessern. In den letzten vier oder fünf Abenden bin ich mit einem mir wichtig scheinenden Stück Arbeit anfangs nur sehr langsam vorangekommen, obwohl ich meist bis nach Mitternacht dran war – eben mit vielen Unterbrüchen. Gegen Schluss nun besserte sich meine Konzentrationsfähigkeit langsam etwas.
Da und dort hatte ich zwischendurch schon mal mit einer kurzen Kartenbotschaft reagiert. Gewiss hätte ich vor allem Anderen Briefe schreiben sollen, einen habe ich schon hinbekommen, doch irgendwie habe ich mich in den erwähnten Bericht verbissen (der hier nun beiliegt), habe ihn heute abschliessen und gleich kopieren können. Viele unter Euch/Ihnen kennen wohl längst zumindest das Meiste davon. Doch zusammen mit dem Artikel kann es ev. dennoch da und dort erhellend wirken.
Nach so vielen Jahren Unwahrheiten ln den Medien, von immer wieder hemmungslosen Hetz- und Lügenstorys, von Ignorieren oder Abwürgen jeglicher Gegenstimmen, von völliger Ignoranz gegenüber selbst meinen Stiefsöhnen, weitestgehend auch ins Leere laufen lassen von Eingaben und Argumenten von doch auch sehr guten Anwälten vor den Gerichten – nun also endlich öffentliche Wahrheit! Fast eine volle Seite davon und das ln einer Zeitung, die weltweit zur ‚Top-Liga‘ der seriösen Blätter gezählt wird! Es erscheint nun fast wie ein Wunder.
Es wirkte auf mich, obwohl ich seit kurzem schon wusste, dass da etwas Gutes kommen würde, wie eine Art Schock, einen wahnsinnig positiven natürlich, aber auch Angst lauert darin. Angst, dass das nun scheinbar zum Greifen Nahe von den Mächtigen wieder weggenommen, die neue Hoffnung zerstört werden könnte…
Ich hatte geglaubt, das mit dem Artikel würde noch längere Zeit dauern, wäre auch noch nicht unbedingt sicher. Zumal es dann hiess, dass die NZZ-Journalistin erst noch für ein paar Wochen ferienhalber abwesend sein wurde.
Umso Überraschter war ich dann, als mein Stiefsohn K. mir noch Mitte letzter Woche am Telefon gleich zu Beginn sagte: „Rate mal, wo ich gerade bin“. Ich: „Keine Ahnung; wo denn?“. Dann er leise: „Bei der NZZ!“. Und dann Frau Hürlimanns Stimme Uber K.s Handy, die sagte, dass der Artikel voraussichtlich „übermorgen“, also am Samstag 10.6. käme.
Das war glaub’s nur etwa einen oder höchstens zwei Tage nachdem ich RA Bernard Rambert informiert hatte, dass K., auf meine Nachfrage bei ihm, dem mir von B.R. ausgerichteten Wunsch der Journalistin, möglichst auch mit ihm reden zu können, gerne nachkomme. Auch da wussten wir noch nicht, wann das sein wurde und ob überhaupt.
K. hatte mir zwar schon immer versichert, dass er für öffentliche Aussagen jederzeit nur zu gerne bereit sei. In den ersten ein oder zwei Jahren nach dem Urteil von 2003 hatte er vergeblich diverse Versuche unternommen, bei Zeitungen Gehör zu finden. Dennoch wollte ich ihn, musste dies wohl, da nun eine konkrete Anfrage gekommen war, nochmals fragen.
Beim ersten Lesen am Montag nach Erscheinen des Artikels im Besuchsraum – der schon lange feststand und wo mir die Besucher nun ein Ex. der Zeitung reinbringen durften – konnte ich kaum Tränen der Rührung verhindern, als ich K.s zitierten Worte las, aber gleichzeitig auch der Ohnmacht, wissend ob seines jüngeren Bruders U. traurigem psychischen Zustand.
Man kann zwar noch nicht alle Zweifel hinsichtlich des Revisionsausgangs vom Tisch wischen; zuviel musste man erleben, wie unehrlich und schamlos rechtswidrig gewisse Justizverantwortliche – von einfachen Fallverantwort!ichen, über Gutachter und Staatsanwälte bis hin zu Richtern – gehandelt hatten über die vielen Jahre der „Strafuntersuchung“ und auch seither. Gewisse, teils heute noch in Amt und „Würden“ stehende Beteiligte könnten vielleicht unberechenbar weit gehen, im Versuch, ‚Gesicht zu wahren‘.
Und selbst im besten Falle muss man vielleicht damit rechnen, dass die Justiz versuchen wird, mir die Schuld für den ‚Justizirrtum‘ in die Schuhe zu schieben, um so wenigstens um eine Entschädigung zu kommen.
Sollte mir aber eine Entschädigung zugesprochen werden, egal wie hoch diese wäre: Ich würde sie in erster Linie zur Rückzahlung von Schulden bei Geldgebern für Anwaltskosten etc. nutzen, und weiter unter all jenen aufteilen, die meinetwegen unter Nachteilen gelitten haben: vor allen Dingen natürlich meine Stiefsöhne und Alle meinetwegen in der Vergangenheit gemobbten, beleidigten, verletzten oder sonstwie unfair behandelten Freunde und guten, engagierten, mich stets und unbeirrt unterstützenden Mitmenschen.
Ich selber benötige im Grunde nur eines unverzichtbar: die Freiheit. Endlich.
Ich möchte nun ja noch so einiges schreiben, aber diese Briefe sollen nun raschmöglichst auf die Post!
Euch/Ihnen allen wünsche ich schöne Sommertage, bestmögliche Gesundheit und versichere Euch, einmal mehr, meiner zutiefst empfundenen Dankbarkeit!
Mit herzlichen Grüssen!
Beat Meier