Rundbrief 1

November 19, 2011

RUNDSCHREIBEN ZUM HINSCHIED EINES TEILNEHMERS

A. H. war noch keine 54 Jahre alt.
Er war seit Jahren in Sicherheitsverwahrung in der härtesten Strafanstalt der Schweiz*.
Er litt an Knochenkrebs und unter den dadurch notwendigen Chemotherapien.
Er wurde trotz ständiger starker Schmerzen bis fast zuletzt zur täglichen, zeitweise erniedrigenden** und vermutlich sogar gesundheitsschädigenden*** Arbeit gezwungen.
Er beklagte sich mehrfach vergeblich über Schikanen durch Teile des Anstaltspersonals.
Er, den die Mitgefangenen durchwegs als hilfsbereit und als „sanftes Gemüt in rauer Schale“ empfanden, und bei dessen viele Jahre geduldig wartenden Ehefrau er ein lie- bendes und stabiles Zuhause gefunden hätte, wurde trotz massiv eingeschränkter Bewegungsfreiheit****, bis zum letzten Atemzug als „gefährlich“ und „fluchtgefährdet“ eingestuft und somit gnadenlos jeglicher Chance für Hafterleichterungen beraubt.
Zweimal in den letzten Wochen seines Lebens hatten die Verantwortlichen bei einem geplanten, unter den Umständen wohl dringenden Transport ins Spital versagt – weil er nicht mehr selbstständig vom Rollstuhl in den Gefangenenwagen umsteigen konnte.
Hilfe und Unterstützung bei täglichen persönlichen Verrichtungen, auf die er in den letzten Wochen zunehmend angewiesen war, erhielt er einzig von Mitgefangenen – welche solche Kameradendienste heimlich verrichten mussten, weil es ihnen durch die zuständige Aufsicht explizit verboten worden war.
Er kam erst dann ins Spital, nachdem ihn ein Mitgefangener in sehr bedenklichem Zustand in dessen offenen Zelle vorfand.

* A. H. war vor Jahren kurze Zeit in Halbfreiheit versetzt und aufgrund eines Vorfalles während eines Urlaubs zurückversetzt worden. Der Vorfall wurde durch die Boulevardpresse massiv hochstilisiert, was sich indes Jahre später, anlässlich des Verfahrens vor Gericht, als „Berg“ entpuppte, der „eine Maus gebar“!
** Die letzten Wochen vor A. H.’s endgültiger Arbeitsunfähigkeit musste er von Hand eine alte, übelriechende Jauche-Bänne blank schleifen, deren Holz vollgesogen war mit getrockneter Tierjauche und deren Beschläge halb verrostet waren; für einen schwer kranken und behinderten Menschen eine ebenso anstrengende, wie für einen im Grunde vielfältig und gut qualifizierten Mann seines Alters erniedrigende Arbeit.
*** Der schätzungsweise 45 m2 kleine Arbeitsraum, in welchem bis zu fünf Personen arbeiten ist ohne Lüftungs- einrichtungen und dient u. a. auch zum Zersägen oder Schleifen von altem, mit unbekannten Chemikalien ge- tränktem Palettenholz. A. H. starb gemäss Aussagen des dortigen Arztes letztlich an einer Blutvergiftung.
**** A. H. war über Jahre hinweg, bis wenige Wochen vor seinem Tod, während derer er sich nur noch im Roll- stuhl bewegen konnte, zum Gehen auf zwei Krücken angewiesen!
Wir von der IG „Fair-wahrt?“ protestieren in höchstem Masse gegen die Art und Weise wie die Justiz und gewisse Verantwortliche in der JVA Pöschwies mit Verwahrten umgehen. Wir finden es schlichtweg unmenschlich und skandalös!
WIR FORDERN EINE UNABHÄNGIGE, UMFASSENDE UNTERSUCHUNG!


Liebe Teilnehmer und Teilnehmerinnen, Liebe Gönnerinnen und Gönner
Mit nachhaltiger Fassungslosigkeit und Trauer, aber auch nach wie vor mit grosser Anteilnahme für die Angehörigen, namentlich für die Witwe, gelangen wir heute an unsere TeilnehmerInnen und GönnerInnen mit den folgenden Informationen zum Hinschied von A. H., einem der Mitgründer unserer Interessengemeinschaft für Verwahrte und Massnahmegefangene.
Mehr als einen Monat ist es nun her, als am 14. Oktober 2011 unser Kollege und Mitgefangener A. an jenem Freitagabend im Triemli-Spital Zürich verstarb – jene unter Ihnen, welche direkten oder indirekten (zum Beispiel über Freunde und Verwandte draussen) Zugang zu unserer Homepage haben, wissen es bereits und kennen auch schon einen guten Teil der Hintergründe. Dass wir erst heute mit dieser Nachricht und den uns bisher bekannten wesentlichsten Informationen per Rundbrief an Euch gelangen, ist auch für uns sehr bedauerlich, hat aber gute Gründe.
Dieses Rundschreiben geht, wie jede Post des Schreibers (ausser – normalerweise – Verteidigerund Amtspost), durch die interne Zensur, welche in dieser Abteilung durch das hiesige Personal, vorwiegend die Abteilungsund Gruppenleiter geschieht. Dabei machten diese dem Schreiber gegenüber in der Vergangenheit keinen Hehl daraus, dass sie alle seine Privatund IG-Post aufmerksam lesen.

Der Bericht imInternet 
Der erwähnte, auf unserer Homepage veröffentlichte Bericht zum FallA. wurde unmittelbar nach Kenntnis von A.’s Tod, nach sorgfältigen internen Abklärungen verfasst und u. a. dem Rechtsanwalt des Verstorbenen zugestellt. Der Bericht beleuchtet die letzten Wochen und Tage von A.’s Leben auf dieser Abteilung und die Rolle dabei einerseits des Personals und andererseits seiner nächsten Mitgefangenen, aus deren Sicht. Der Anwalt des Verstorbenen beriet dann dessen Witwe auf deren Wunsch. So erhielt u. a. auch sie den Bericht. Veröffentlicht auf der Homepage wurde er durch „Fuchur“, dem vereinbarungsgemäss weitgehend in eigener Regie handelnden Webpage-Administrator, auf ausdrücklichen Wunsch der Witwe und somit natürlich mit ihrem vollumfänglichen Einverständnis.
Vorwürfe statt Bedauern 
Seither hagelte es von Seiten des Abteilungsleiters hier Vorwürfe gegenden Schreiber und Betreiber der IG. Moralisch sehr verwerflich und womöglich aus den eigenen Fingern gesogen sei schon mal das Verfassen bzw. der Inhalt des oben erwähnten Berichts, ein Bericht, den der Schreiber mit aller Gewissenhaftigkeit und bestmöglicher persönlicher Distanz aufgrund der Bezeugungen der A. am nächsten stehenden Mitgefangen und aufgrund eigener Kenntnisse verfasste.
Dennoch ist klar, dass dieser Bericht ein subjektives Bild abgibt. Ebenso klar scheint uns aber auch, dass es nicht die Aufgabe oder gar Pflicht des Schreibers und dessen Informanten, als Mitbetroffene, sein kann, eine sicher objektive Darstellung zu präsentieren; das ist oder wäre ggf. Sache einer unabhängigen Untersuchungsinstanz (was wir ja anstreben). Ebenso wenig kann von der Gegenseite erwartet werden, dass sie ihre allfällige Stellungnahme objektiv und neutral verfassen wird.
Ein obskurer Verwandter 
Ausserdem soll sich, gemäss ebenso vorwurfsvollen wie vagen Äusserungen, „ein Verwandter“ A.’s bei der JVA hier gemeldet haben. Dieser hätte sich – jedenfalls behauptet dies der Leiter dieser Abteilung – über den Inhalt des genannten Berichts entrüstet und sich dabei über dessen Verfasser bei der JVA Pöschwies beschwert. Nicht also darüber, was gemäss den Mitgefangenen-Bezeugungen in dem Bericht geschehen sei, sondern dass die IG „Fair-wahrt?“ solches geschrieben habe(!). Das war vor mehr als zwei Wochen und bisher hat der Schreiber weder vom Abteilungsleiter noch von anderer Seite etwas Näheres über diese angebliche Beschwerde gehört. Wir halten indes fest: Unser Beileid und unser voller Respekt gilt allen betroffenen und trauernden Angehörigen!
Der Schreiber blickte dieser Beschwerde, so eine solche sich denn tatsächlich gegen ihn richten sollte, gelassen entgegen, denn er ist überzeugt, nicht nur rechtlich sondern auch moralisch korrekt gehandelt zu haben. Er und die beteiligten Mitgefangenen wahrten damit nicht allein ihre eigenen Interessen, sondern explizit auch jene sowohl der Ehefrau (die einzige uns bis anhin bekannte Angehörige) wie auch des Verstorbenen selbst!
Dieser ‚umstrittene’ Bericht entspricht inhaltlich zum einen präzise den Aussagen derjenigen Mitgefangenen des Verstorbenen (inklusive des Schreibers), welche sich dabei auf jeweils eigene Beobachtungen und Erfahrungen stützten. Zum Andern enthält er gewisse gesicherte, bzw. nach unserer Ansicht kaum bestreitbare Hintergrundinformationen sowie einzelne persönliche Meinungsäusserungen.
Noch ein Bericht… 
Und es wa rnicht der letzte Bericht zum„FallA.“ Ein weiterer solcher, gewisseEreignisse seit A.’s Tod bezeugend, ist inzwischen verfasst und zum Anwalt des Verstorbenen sowie zu jenem der Witwe unterwegs. Der Witwe, welche übrigens gemäss Auskünften mithilfe eines Rechtsanwalts inzwischen Strafanzeige u. a. wegen unterlassener Hilfeleistung eingereicht hat!

Zwei Briefe an die Justizministerin
Da A. vor seinem Tod noch einen Brief an die Justizministerin Frau Bundesrätin S. Sommaruga schrieb, sandten wir auch dieser eine Kopie des erwähnten Berichts, zusammen mit der Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung. Von dort erhielt der Schreiber inzwischen eine Antwort. Diese ist zwar für uns unbefriedigend, denn sie enthält – nebst einer Beileidsbekundung – unter dem Strich lediglich die Empfehlung, uns bei der Anstaltsdirektion zu beschweren und die Beschwerde hernach nötigenfalls weiter zu ziehen. Dies ist inzwischen geschehen. Angereichert mit dem neuen Vorwurf der Briefgeheimnisverletzung: der höchstamtliche Brief aus Bern wurde hier vor dessen Aushändigung „versehentlich“ geöffnet – und gelesen und dazu benutzt, die Informanten unter Druck zu setzen. Es bedeutet gewiss einen langwierigen Instanzenweg, denn erfahrungsgemäss
kann von der Justizdirektion keine Unterstützung erwartet werden. Ein Weiterzug ist wohl vorprogrammiert…
In der Folge nun eine leicht gekürzte Version des erst-obgenannten Berichts, jenen mit den Aussagen beteiligter Mitgefangener (inklusive dem Schreiber) über die letzten Wochen und Tage unseres ehemaligen Mitgefangenen, Mitverwahrten und Mitgründer unserer IG, A. H.:


A. H. U
Gestern Abend, am Freitag den 14. Oktober 2011, ist unser Mitgefangener und sicherheitsverwahrter A. H. (eh. G.) im Triemlispital verstorben. A. H. wurde knapp 54 Jahre alt.
Seit einigen Jahren litt A. H. an Knochenkrebs. Sein Rücken musste offenbar mehrfach versteift werden, sodass er beim Gehen seither auf zwei Krücken angewiesen war.
A. H. hatte oft recht schwer auch mit den Nebenwirkungen der immer wiederkehrenden Chemotherapie zu kämpfen. Täglich musste er zweimal zum Arztdienst und einmal monatlich wurde er, für Kontrolle oder Behandlungen, mit Polizeibegleitung ins Spital gefahren.
Mitte vergangenen September verschlimmerte sich A. H.’s Zustand so sehr, dass er nunmehr vollkommen auf einen Rollstuhl angewiesen war.
Am vergangenen Wochenende, am 9. Oktober, wurde er von Kollegen in bedenklichem Zustand in seiner Zelle aufgefunden. Dies war möglich, weil A. H. seine Zellentüre tagsüber meist offen liess. Er sass im Rollstuhl in Türnähe und war gelb angelaufen, konnte nicht mehr verständlich reden. Das einzige, das der betreffende Kollege verstehen konnte, war, dass er kaum Luft bekäme. Sofort alarmierte er die Aufseher und brachte A. H. in dessen Rollstuhl unverzüglich nach unten in den Eingangsbereich. Der an diesem Tag diensthabende Werkmeister S. schob ihn kurz darauf zum Arztdienst; A. H. war nicht mehr in der Lage, seinen Rollstuhl selber voranzubewegen.
Wie wir später erfuhren, sei A. H. daraufhin notfallmässig ins Spital gebracht worden. Zunächst hiess es, dass er wohl im UniSpital sei. Mehrmaliges Nachfragen seither brachte uns Insassen weder über seinen Aufenthaltsort noch sein Befinden irgendwelche Auskünfte. Da wir (von der IG „Fair-wahrt?“)* nicht wussten, ob das jemand getan hatte, informierten wir seine Frau in einem Brief und seinen Anwalt telefonisch.
Per Aushang wurden die Insassen heute über A. H.’s Hinschied unterrichtet. Gemäss dem ausgehängten Brief von Anstaltsdirektor Graf hätte A. H., zu seiner schon jahrelangen Knochenkrebserkrankung, zuletzt an einer Blutvergiftung gelitten, woran er schliesslich nun gestorben sei. Wie immer nach dem Tod eines Gefangenen stand am Schluss der Satz: „Ich bin sicher, dass Gott seiner Seele gnädig ist“.
Das war nebst der Krebserkrankung aus verschiedenen anderen Gründen kein ‚normaler’ Todesfall eines kranken Pöschwies-Gefangenen.
Zunächst einmal war A. H. längst kein Strafgefangener (mehr), sondern ein vorsorglich Verwahrter, einer von Vielen in der Strafanstalt Pöschwies, welche – menschenrechtswidrig – dennoch in einer Strafanstalt ihr Dasein fristen, und dies unter sogar noch härteren Bedingungen als Strafgefangene und teilweise schon viele Jahre über ihre Strafe hinaus. Sie leiden oft deutlich häufiger unter Diskriminierungen bis hin zu Schikanen oder gar Übergriffen. Doch das wohl am meisten quälende Element ihrer Situation ist, im Unterschied zu ‚gewöhnlichen’ Strafgefangenen, die andauernde totale Ungewissheit und Perspektivlosigkeit über ihre Zukunft.
Vordringlich aber geben die näheren Umstände über die letzten Wochen vor A. H.’s Tod zweifellos zu kritischen Fragen Anlass; bei seinen Gefangenen-Kollegen macht sich auf jeden Fall Empörung breit!
Der Schreiber erhielt folgende Auskünfte
von Mitgefangenen:
(die als Zitate dargestellten Aussagen entsprechen dem ihm tatsächlich oder sinngemäss übermittelten Auskünften und sind durch den Schreiber hier folgend grammatisch aufgearbeitet und zusammengefasst. Zudem werden sie teilweise durch ergänzende Informationen und durch Kommentare versehen)
Mitgefangener A
(dieser leistete A. H. seit Langem täglich über längere Zeit Gesellschaft):
– „Seit A. H. auf den Rollstuhl angewiesen ist, habe ich nicht ein Mal gesehen, dass jemand vom Personal speziell nach ihm geschaut hätte, ausser am ersten Morgen, weil er nicht zur Arbeit erscheinen konnte, um ihn zu fragen, ob er denn nicht doch – im Rollstuhl – zur Arbeit gehen könne.“ Ähnlich werden sich bei folgenden Gesprächen diverse weitere Mitgefangene derselben Etage äussern.
– „Es scheint, die einzigen Kontakte zu A. H. seitens des Personals waren (wie mehr oder weniger bei uns allen):
o jeweils am Morgen, zum Wecken (von der Tür her ein kurzer „Guten Morgen“-Ruf);
o hin und wieder zur Essenszeit (wenn jeweils ein Aufseher auf der Etage und teils im Speisesaal ist);
o gelegentlich bei einem Gruppenrundgang durch den diensthabenden Aufseher (was längst nicht täglich geschieht), falls dieser dabei A. H. mehr oder weniger zufällig im Flur begegnete;
o anlässlich der Medikamentenabgabe unten beim Empfang und um A. H. den Laufzettel zwecks Aufsuchens des Arztes auszuhändigen (zweimal täglich aufgrund seiner Krankheit);
o als A. H. in der Zeit einmal den Abteilungsleiter aufsuchte, um sich zu beschweren (siehe dazu weiter unten).
o schliesslich jeweils freitags, wenn Werkmeister S. auch seine Zelle
betritt, was dieser jedoch lediglich tut, um die wöchentliche Zellenreinigung zu überprüfen (gleiches macht dieser in der Regel bei allen in seinem Bereich Beschäftigten).“
– „Am 23. September hätte A. H. wieder zur Kontrolle und ev. Behandlung ins Universitätsspital transportiert werden sollen. Da er gänzlich auf den Rollstuhl angewiesen war, konnte er das Fahrzeug der Polizei nicht von sich aus besteigen. A. H. berichtete mir, dass er daher wieder zurück auf seine Gruppe geschickt worden ist; die Beamten würden dann ein rollstuhlgängiges Spezialfahrzeug aufbieten.“
(Dabei wurde eine vielleicht entscheidende Gelegenheit verpasst, den Spezialisten in der Klinik A. H.’s sich damals schon seit etwa zwei Wochen zunehmend verschlechternden Zustand zur Kenntnis zu bringen, sodass sie ggf. für den weiteren Verlauf der Krankheit lebenswichtige Massnahmen hätten treffen können. In der Folge geschah nämlich fast zwei Wochen lang nichts, obwohl laut Auskunft von A. H. der Anstaltsarzt schriftlich ein erneutes Transportgesuch, diesmal mit einem rollstuhlgängigen Fahrzeug beauftragte.)
– „Erst am 5. Oktober erschien erneut ein Polizeitransportteam, um A. H. für den mittlerweile wohl äusserst dringenden Spitalbesuch abzuholen. Er war längst nicht mehr fähig, sich ohne unsere Hilfe anzukleiden. Doch auch diesmal waren die Beamten – entgegen den Versicherungen des ersten Teams vom 23. September und entgegen dem schriftlichen Auftrag des Anstaltsarztes – wiederum mit einem normalen Fahrzeug da. A. H. war (wie bisher ohne Begleitung) in seinem Rollstuhl und inzwischen offenbar nur mit grosser Mühe die ca. 300 Meter zum Umkleidedienst gerollt (von wo aus man für solche Transporte abgeholt wird). Die Polizeibeamten hiessen ihn dann jedoch, selbstständig aus dem Rollstuhl ausund in das Fahrzeug einzusteigen. Dies konnte A. H. nicht und somit liess auch dieses Team ihn ohne Spital-Transportmöglichkeit auf seine Abteilung und in seine Zelle zurückkehren.“
(Da danach bis zu seiner Noteinlieferung wenige Tage später offenbar nichts mehr geschah, wurde dadurch die zweite Chance verpasst, A. H. eventuell noch lebenswichtige Notbehandlung zukommen zu lassen, bevor sein Zustand sich kurz darauf so sehr ver4
schlechterte, dass auch das Spital offensichtlich nicht mehr viel für ihn tun konnte!)
– „InderZeitseitA.H.gänzlichaufden Rollstuhl angewiesen war konnte er offensichtlich nur noch mit grösster Mühe vom Rollstuhl ins Bett und umgekehrt steigen, musste sich sitzend auf einem Stuhl duschen und war praktisch unfähig, die notwendigsten Verrichtungen zu tätigen.“, berichtet Gefangener A, welcher ihm, zusammen mit Gefangenem B (siehe hier folgend), half, so oft und so gut er konnte. Die beiden reinigten abwechslungsweise seine Zelle, die Toilette etc., brachten sein Bett in Ordnung und halfen ihm ins Bett hinein und heraus, brachten ihm jeweils sein Essen in die Zelle und halfen ihm unter die Dusche und wieder zurück.
– „Kaum dass die Aufsicht dessen aber gewahr wurde…“, so der Bericht von Gefangenem A weiter, „…wurde den Mitgefangenen jegliche weitere solche Hilfe verboten; Herr H. könne und solle dies gefälligst alles selber tun.“ In der Folge sei den erwähnten Mitgefangenen nichts anderes übriggeblieben, als diese Hilfestellungen heimlich vorzunehmen, dies unter der dauernden Gefahr einer empfindlichen Sanktion, falls sie bei einem möglichen unvermittelten Auftauchen eines Aufsehers dabei erwischt würden!
„Daraufhin suchte A. H. beim Gruppenleiter H. ein Gespräch und beschwerte sich gegen diese Anordnung seitens des Personals. Den einzigen Kompromiss, den der Gruppenleiter einzugehen bereit gewesen ist: der Hausarbeiter seiner Etage dürfe sein Essen zu ihm, A. H., auf die Zelle bringen.“
– „Keiner der Aufseher hat in der ganzen Zeit A. H. bei irgendeiner notwendigen Verrichtung Hilfe angeboten!“ entrüstet sich Gefangener A – zu Recht, wie dem Schreiber scheint, wenn das zutrifft! Aber gemäss Auskünften von Gefangenem A und diverser weiterer Mitgefangener (auch dem fast ständig auf der Etage anwesenden Hausarbeiter) ist in der Zeit auch nie jemand vom Arztdienst auf der Abteilung und bei A. H. aufgetaucht, um nach ihm zu sehen.
– „Ich habe noch am Samstag den diensthabenden Werkmeister S. in einem Anflug von Mut und Entrüstung in einigermassen doch vorwurfsvollem Ton gefragt, ob er oder sonst einer der Aufseher denn nie nach A. H. schauen und ihm Hilfe anbieten wollten; sie sähen doch, wie schlecht es ihm gehe. Daraufhin erwiderte S. lediglich in ziemlich gleichgültigem Ton, dass dies nicht seine Arbeit sei und ausserdem sei er schliesslich kein Arzt!“
– „Es muss dann in der folgenden Nacht, also bevor er tags darauf ins Spital eingeliefert werden musste, irgendwie schlimm gewesen sein für ihn; ich habe am Sonntag gesehen, dass er blutige Kratzer am Hinterkopf hatte, einiges in der Zelle war offenbar zu Boden gefallen und hatte diesen verunreinigt, und die Toilette war ringsum aussergewöhnlich stark verdreckt. Ich habe das alles gereinigt während A. H. apathisch vor der Zellentür im Rollstuhl wartete. Jetzt mache ich mir Vorwürfe, dass ich nicht schon dann die Aufseher alarmiert habe, aber ich zweifelte erfahrungsgemäss einerseits daran, dass die Aufseher etwas unternommen hätten und scheute auch aufgrund des Verbots des mich ‚Einmischens’ zurück und befürchtete, dafür nur Schelte zu kassieren.“
Mitgefangener B:
(er wohnt auf derselben Etage und arbeitete in der gleichen Werkstatt wie A. H. [und wie der Schreiber auch] und auch er unterstützte A. H., abwechslungsweise mit Mitgefangenem A, täglich seit der Verschlechterung dessen Gesundheitszustandes)
– „Ich habe A. H. am Sonntag (den 9. Oktober) bei meinem Spaziergang den Flur auf und ab bei offener Zellentüre gesehen, er sass zusammengesunken in seinem Rollstuhl unweit der Zellentüre und ich habe sofort gemerkt, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Ich ging zu ihm hin und sah, dass er gesundheitlich in kritischem Zustand sein musste, er war stark gelb angelaufen im Gesicht, verhielt sich seltsam und sprach unzusammenhängend und unverständlich. Ich sprach ihn an und er konnte mir nicht richtig antworten. Ich verstand nur, dass er offenbar Atemnot hatte. Ich wollte ihn sogleich runter zum Empfang bringen, doch er schien dies nicht zu wollen. Ich verständigte die Aufseher und überzeugte ihn, dass er sehr krank sei und unbedingt sofort zum Arzt müsse, so liess er es dann zu, dass ich ihn mit dem Lift runter zum Empfang brachte. Dort wurde er in der Folge von Werkmeister S., der an diesem Wochenende Dienst hatte, zum Arztdienst gebracht.“ (wo normalerweise am Wochenende lediglich ein Arzthelfer oder eine Arzthelferin Dienst hat – für Notfällen ist einer der Ärzte zuhause abrufbar.)
– (Auf Frage) „Niemand von den Aufsehern ist meines Wissens seit er im Rollstuhl ist zu ihm auf die Zelle gegangen, um nach ihm zu sehen, einzig manchmal bei der Essenszeit, um ihn aufzufordern, sein Essen holen zu gehen.“
– „Wir (gemeint ist er und Mitgefangener A) hatten uns abgewechselt dabei, A. H. bei seinen Verrichtungen zu helfen, die Zelle zu putzen, ihn zur Dusche zu begleiten und ihm dort auf den Plastikstuhl zu helfen, wir haben ihm ins und aus dem Bett geholfen und so weiter. Auch das Essen haben wir ihm gebracht.“
– „Dann aber hat uns der Aufseher verboten, A. H. zu helfen und gesagt, das könne und solle der selber machen. Darum haben wir von da weg alles heimlich für ihn tun müssen und dabei aufpassen, dass wir nicht erwischt werden. Einzig das Essen durfte dann der Hausarbeiter zu ihm auf die Zelle bringen.“
In der Folge sprach der Schreiber noch mit etlichen weiteren Gefangenen von A. H.’s Etage und erhielt, wenn überhaupt, nur Bestätigungen für das hierin Gesagte.
Sowohl der Schreiber, wie auch all jene Mitgefangenen, mit welchen er über die Umstände von A. H.’s Tod sprach, fordern eine sorgfältige, umfassende und vor allem unabhängige Untersuchung!
Zudem fragen wir, welchen Sinn ein jahrelang weiter andauerndes Einsperren eines ganz offensichtlich zu einer Flucht unfähigen Verwahrten macht – besonders dann noch unter sogar deutlich härteren Bedingungen als Strafgefangene – bei einem Menschen mit schwerer Krebserkrankung, mit versteiftem Rücken und der sich seit Jahr und Tag nur noch auf Krücken fortbewegen konnte?
Und wir fragen auch, wie sich dies mit der doch stets in der Öffentlichkeit so hoch gepriesenen Menschlichkeit, Toleranz und Freiheit hierzulande vereinbaren lässt?
Und wie es sich denn nun wirklich verhält, mit unserer angeblich „besten und fairsten Justiz weltweit“*?
Gezeichnet: Diverse Mitgefangene von A. H., wohnhaft Abteilung ASP (Abteilung für Suchtkranke und Pensionäre), JVA Pöschwies
Den zweiten erwähnten Bericht können wir aus bestimmten Gründen an dieser Stelle noch nicht offenlegen, wir bitten um Verständnis und Geduld. Der Schreiber ist aber bemüht, baldmöglichst Bulletin Nr. 5 folgen zu lassen, wo der Fall A. H. mit Sicherheit weiter ein Thema sein wird.


Die Witwe des Verstorbenen und wir bitten Euch, dieses Rundschreiben möglichst breit bekannt zu machen; zeigt es bitte Euren Kollegen und gebt es Euren Verwandten, Freunden und Bezugspersonen! UND: Die Witwe liess uns ausrichten, dass sie allen Verwahrten und Massnahmegefangenen viel Kraft und Durchhaltewillen wünscht und dass sie für die Teilnahme der IG an ihrem und ihres Mannes Schicksal und für die Beileidsbekundungen herzlich dankt!


„Wir hier in der Schweiz haben die beste und humanste Justiz der Welt!“
so äusserte sich der hiesige Abteilungsleiter dem Schreiber gegenüber vor wenigen Wochen…