HAFTBEDINGUNGEN IN DER VERWAHRUNG

September 24, 2020
Jörg Künzli
Prof. Dr. iur., Ordinarius für Staats- und Völkerrecht am Institut für öffentliches Recht der Universität Bern, Themenbereichsleiter Polizei und Justiz des SKMR
Anja Eugster
Lic. iur., Assistentin am Institut für öffentliches Recht der Universität Bern und wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Themenbereich Polizei und Justiz des SKMR
Maria Schultheiss
Mlaw, Rechtsanwältin, Assistentin am Institut für öffentliches Recht der Universität Bern und wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Themenbereich Polizei und Justiz des SKMR

Diese Studie gibt die Meinung der Autorinnen und Autoren wieder und bindet nur das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte.


Verzeichnis der kantonalen und konkordatlichen Rechtsgrundlagen (Auszug)

Kanton St. Gallen
Einführungsgesetz zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung vom 3. August 2010 (EG StPO-SG), sGS 962.1.
Strafprozessverordnung vom 23. November 2010 (StPV-SG), sGS 962.11.
Kanton Tessin
Legge sull’esecutione delle pene e delle misure per gli adulti del 20 aprile 2010 (SMVG-TI), RL 4.2.1.1.
Regolamento sull’esecuzione delle pene e delle misure per gli adulti del 6 marzo 2007 (SMWTI), RL 4.2.1.1.1.
Kanton Uri
Verordnung über den Straf- und Massnahmenvollzug vom 20. Dezember 2006 (VSMV-UR), RB 3.9321.
Kanton Waadt
Loi sur l’exécution des condamnations pénales du 4 juillet 2006 (LEP-VD), RSV 340.01. Règlement sur le statut des condamnés exécutant une peine privative de liberté et les régimes de détention applicables du 24 janvier 2007 (RSC-VD), RSV 340.01.1.
Kanton Wallis
Verordnung über die Rechte und Pflichten von Gefangenen vom 18. Dezember 2013 (GeN-VS), SGS 340.100.
Kanton Zürich
Justizvollzugsverordnung vom 6. Dezember 2006 (JW-ZH), LS 331.1. Hausordnung JVA Pöschwies, Ausgabe 2009 (H02009-Pöschwies).
Kanton Zug
Hausordnung JVA Bostadel vom 30. August 2011 (H02011-Bostadel).
Konkordat der Nordwest- und lnnerschweiz
Strafvollzugskonkordat der Nordwest- und lnnerschweiz, Konkordatsvereinbarung vom 5. Mai 2006 (01.0) (Konkordat-NWI).
Konkordatsreglement der Nordwest- und lnnerschweiz vom 24. April 2008 (KonkordatsreglementNWI).
Richtlinien über die Ausgangs- und Urlaubsgewährung vom 19. November 2012 (09.0) (RL Ausgang und Urlaub-NWI).
Richtlinien für die Verlegung in freier geführte Institutionen oder Abteilungen; die externe Beschäftigung; den Vollzug des Wohn- und/oder Arbeitsexternats im Straf- und Massnahmenvoll- 76Verzeichnis der kantonalen und konkordatlichen Rechtsgrundlagen
zug; die Anforderungen an durchführende Institutionen vom 3. November 2006 (10.0) (Externatsrichtlinien-NWI).
Konkordat der Ostschweiz
Konkordat der ostschweizerischen Kantone über den Vollzug von Strafen und Massnahmen vom 29. Oktober 2004 (Konkordat-OST).
Richtlinien der Ostschweizerischen Strafvollzugskommission für die Vollzugsplanung vom 7. April 2006 (RL Vollzugsplanung-OST).
Richtlinien der Ostschweizerischen Strafvollzugskommission über die Gewährung des Arbeitsexternats und des Wohnexternats sowie über die Beschäftigung von eingewiesenen Personen bei einem privaten Arbeitgeber vom 7. April 2006 (RL Arbeits- und Wohnexternat-OST).
Konkordat der lateinischen Schweiz
Konkordat vom 10. April 2006 über den Vollzug der Freiheitsstrafen und Massnahmen an


 

HAFTBEDINGUNGEN IN DER VERWAHRUNG

Menschenrechtliche Standards und die Situation in der Schweiz

SAMMLUNG WICHTIGER ZITATE
IG „Fairwahrt?“ – 2019

Erklärungen:
S .1: , S, 2: etc: = Verweise auf entsprechende Seite im Originaldokument =
1, 2, 3, etc. = Fortlaufende Nummerierung der Zitate
Asterix: * = Hinweis auf Fussnoten zum Thema – s. Originaldokument
#Abc#= Vor und nach Zwischeneinschüben; Ersatz für Eckklammern

S.1:

Zusammenfassung

1 „Personen im Verwahrungsvollzug sind in aller Regel in den gleichen Institutionen und unter den gleichen Bedingungen inhaftiert wie solche im Strafvollzug.“
2 (Im #schweiz.# politischen und medialen Umfeld wird die Verwahrung als „die härteste Strafe für Schwerstkriminelle (…) bezeichnet und es werden regelmässig weitere Verschärfungen in ihrem Vollzug gefordert.“
3 „Personen im Verwahrungsvollzug sind nach Ablauf einer allfälligen Haftstrafe nicht mehr zur Abgeltung einer begangenen schweren Straftat inhaftiert, sondern einzig infolge ihrer Gefährlichkeit und damit einzig aus präventiven Gründen.“
4 (Gemäss des deutschen Bundesverfassungsgerichts) „erbringen zu einer solchen Massnahme verurteilte Personen gegenüber der Gesellschaft ein Sonderopfer.“
5 „Menschenrechtliche Standards, und insbesondere die Praxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte EGMR und des UNO-Menschenrechtsausschusses, aber auch das Prinzip der Verhältnissmässigkeit verlangen, dass sich der Verwahrungsvollzug infolge des rein präventiven Zwecks dieser Massnahme deutlich vom Strafvollzug zu unterscheiden hat.“
6 „Zweck der Massnahme und damit einzige Rechtfertigung dieses massiven Eingriffs in die Freiheitsrechte betroffener Personen, die ihre Strafe abgesessen haben, ist einzig der Schutz der Öffentlichkeit.“
7 „Unter Gewährleistung eines adäquaten Schutzes nach aussen und der Ordnung und Sicherheit der Anstalt ist der Verwahrungsvollzug im Übrigen möglichst freiheitlich auszugestalten, d.h. er hat denLebensrealitäten ausserhalb einer Anstalt soweit möglich zu entsprechen,“
S.2:
8 „Dieses europäisch und universell verankerte Differenzierungsgebot muss auch für Staaten wie die Schweiz gelten … “
9 „Diese Grundrechtsbeschränkungen haben aber dem Verhältnismässigkeitsprinzip zu genügen und dieses wiederum kann nahelegen, dass für gewisse Kategorien Inhaftierter, wie Verwahrte, lebenslang oder alte Inhaftierte, die Annäherung an die Verhältnisse ausserhalb der Vollzugseinrichtung weiterzugehen hat als für die ’normale‘ Gefangenenpopulation.“

Menschenrechtlich gebotene Rechtsstandards für den Verwahrungsvollzug:

10 ( … )“Während dem Verwahrungsvollzug (ist) stets ein Ausgleich zwischen dem Bedürfnis nach Sicherheit der Öffentlichkeit und den Rechten der einzelnen Person zu suchen. Der anwendbare Sicherheitsstandard nach Aussen ist daher etwa bei alten und gebrechlichen Inhaftierten zu senken.“
S.3:
11 ( … ) „Einzelhaft oder andere Haftverschärfungen dürfen( … ) auch gegenüber Verwahrten nur bei einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben anderer Personen angeordnet werden und keinesfalls ausschliesslich gestützt auf die angeordnete Sanktion.“
12 „Gemäss Praxis des EGMR ist die Anordnung einer zeitlich unbgrenzten Haft ohne Möglichkeit, ihre Beendigung durch eigenes Verhalten mitzubestimmen (durch Resozialisierungsmassnahmen, Vollzugsplanung, die den Zugang zu sinnvollen Tätigkeiten und geeigneten Programmen ermöglicht) EMRK-widrig.“
13 „Bei der Arbeitszuteilung ist( … ) im besonderen Masse auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Insassen einzugehen. ( … ) In der Verwahrung ist die Arbeit besser zu entlöhnen als im Strafvollzug.
( … ) Die Arbeitspflicht endet mit Erreichen des Pensionsalters. Auch älteren Verwahrten ist aber Arbeit anzubieten … “ (Siehe aber auch hiernach unter 21)
14 „Ein grundrechtsorientierter Vollzug setzt( … ) auch die Einräumung einer möglichst grossen Autonomie in der Tagesgestaltung, die Ermöglichung von möglichst vielen Sozialkontakten und von längeren Aufenthalten im Freien voraus.“
15 „Der sich einzig am Schutz der Öffentlichkeit ausrichtende Haftzweck legt auch nahe, den Gebrauch moderner Kommunikationsmittel zuzulassen, soweit dies die Sicherheit nicht gefährdet.“
16 „Auch Langzeitinhaftierte und Verwahrte sollen – soweit es Sicherheitserwägungen erlauben – gemäss Europäischen Standards von Vollzugslockerungen profitieren können.“
17 „Nach dem Äquivalenzprinzip hat die Gesundheitsversorgung und Pflege in Haftsituationen denselben qualitativen Ansprüchen zu genügen wie ausserhalb dieser Institutionen. ( … )Stellteine Person mit eng begrenzter Lebenserwartung aufgrund körperlicher Umstände keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit dar, ist sie zwingend aus der Haftsituation zu entlassen.“
18 „Den Verwahrten (sollte) die Wahl eingeräumt werden, ob sie in einer Spezialabteilung (für Verwahrte) inhaftiert werden wollen.“
19 „Verwahrte leben gegenwärtig in aller Regel im strafrechtlichen Normalvollzug; ein Umstand, der kaum mit den Vorgaben des UNO-Pakts II und der EMRK vereinbar ist.“

Gegenwärtige Rechtslage und Praxis in der Schweiz:

20 „In jüngster Vergangenheit werden Verwahrte nur noch in Ausnahmefällen entlassen. Damit stellt die (‚gewöhnliche‘) Verwahrung in der Realität oft einen lebenslang dauernden Freiheitsentzug dar.“( … ) „(Es) besteht die grosse Gefahr, dass Verwahrte in der Praxis ‚aufgegeben‘ werden, d.h. ihr lebenslanger Aufenthalt in einer Haftsituation hingenommen wird.“
21 „(Es) erhöht sich das Risiko, dass die (Verwahrungs-) Sanktion als unmenschliche Strafe i.S.v. Art. 3 EMRK zu qualifizieren ist.“
22 „Verwahrte unterliegen in der Schweiz der gleichen Arbeitspflicht wie Personen im Strafvollzug. Diese gilt – wie vom Bundesgericht in bewusster Abweichung von den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen festgelegt – auch für Verwahrte über das Pensionsalter hinaus.“
23 „Keine Privilegien gegenüber Personen im Strafvollzug wird Verwahrten in der Praxis (u.a.) auch im Bereich von Kontakten nach Aussen gewährt.“
(Anm.d.Schreibers: Ausnahme: mehr Telefonate für die IG „Fair-wahrt?“!)
24 „Im Verwahrungsvollzug findet sich ein vergleichsweise besonders grosser Anteil von Personen mit schwersten psychischen Erkrankungen, die einen Aufenthalt in einer psychiatrischen Einrichtung erfordern, soll die Haft keine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen.“ (Anm.d.Schreibers: Nicht bekannt ist, ob hierbei auch z.B. folgende psychischen Erkrankungen mitgemeint sind: Formen von Klaustrophobie; häufig beobachtbare schwere Depressionen; schwerwiegendes psychisches Leiden als Folge von Mobbing – besonders bei Urteilen wegen Sexualstraftaten, nicht selten durch nicht-verwahrte Mitgefangene und gar noch häufiger durch einen Teil des JVA-Personals)
25 In der Realität leben viele so erkrankte Inhaftierte aber unter Missachtung der Vorgaben von Art. 3 EMRK in Haftanstalten( … ) und damit ohne eine den Umständen angemessene medizinische Pflege.“
26 „Die Forderung nach möglichst grosszügigerer Handhabe von mit der öffentlichen Sicherheit zu vereinbarenden Vollzugslockerungen ist im gegenwärtigen politischen Klima chancenlos. Vielmehr sind weitere Einschränkungen in diesem Bereich wahrscheinlich.“
27 „(Verbesserungen für die Haftsituation von Verwahrten) … die grossmehrheitlich bis zu ihrem Tod inhaftiert bleiben wird, werden damit noch drängender.“

I. EINFÜHRUNG

1. Auftrag

28 „Das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte SKMR, Themenbereich Polizei und Justiz wurde durch den Bund( … ) beauftragt, eine Studie zu den menschenrechtlichen Standards in der Verwahrung zu verfassen.“
29 „Die Studie soll grund- und menschenrechtliche Standards zu den Haftbedingungen in der Verwahrung herausarbeiten und die geltenden Regelungen auf Bundes-, Konkordats- und Kantonsebene analysieren.“

2. Ausgangslage: Warum besondere Haftbedingungen für Verwahrte?

30 ( … ) „Im Unterschied zu einer Strafe dient (die Verwahrung) aber nicht der Schuldabgeltung einer begangenen Tat … „( … )*
31 „Die Verwahrung ist nur als ultima ratio anzuordnen, wenn der Rückfallgefahr nicht anders begegnet werden kann.“*
S.7:

Ansätze für Unterschiede des Verwahrungshaftregimes gegenüber dem Strafvollzug:

32 „Personen in einer Verwahrung gehören (meist) zu Kategorien von Inhaftierten, welche gemäss internationalen Standards( … ) anders als ’normale‘ Gefangene zu behandeln sind.“
33 „Es befinden sich (daher) viele Personen in einer Verwahrung, die psychisch krank, aber nicht therapierbar sind.“*
(Anm.d.Schreibers: … oder angeblich nicht therapierbar sind, denn: etwa in Zürich bietet der Psychiatrisch-Psychologische Dienst PPD #als für Personen in Haftanstalten grundsätzlich einzig zugelassene psychologische oder psychiatrische Instanz# Verwahrten in Strafanstalten, wenn überhaupt!, ausschliesslich „deliktorientierte Therapie“ an – und hat selbst dafür bei weitem ungenügende Kapazitäten; andere psychische Leiden und Krankheiten werden, auf Wunsch und in vielen Fällen auch zwangsweise, ausschliesslich mit Psychopharmaka unterdrückt)
34 “ … hat etwa das Deutsche Bundesverfassungsgericht für diesen präventiven Freiheitsentzug (in D genannt Sicherungsverwahrung) das sogen. Abstandsgebot entwickelt, wonach der Vollzug dieser Form des Freiheitsentzugs deutlich liberaler auszugestalten ist als der Strafvollzug.“*
3 (enthält statistische Informationen)
S.8:
4 (erklärt kurz den Aufbau der hier behandelten Publikation)
S.9:

II. DIE VERWAHRUNG IN DER.SCHWEIZ: TERMINOLOGIE UND ABGRENZUNG

1. Begriff ‚Verwahrung‘

35 „Andere Rechtssysteme kennen ebenfalls nicht-punitive Freiheitsentzüge zum Zwecke der Sicherheit der Gesellschaft (z.B. Deutschland, Frankreich, Neuseeland). Daneben gibt es Staaten die eine solche Form des Freiheitsentzuges ausdrücklich nicht vorsehen, z.B. Slovenien.“*
S.10:
2. (Betr. Einordnung im schweizerischen Sanktionensystem)
S.11:
2.1. (Erklärung des zweispurigen Systems von Strafen und Massnahmen)
2.2. (Betr. Unterschied ‚gewöhnliche‘ zu ‚lebenslange‘ Verwahrung)
2.3. (Betr. Abgrenzung ‚gewöhnliche‘ Verwahrung zu stationärer therapeutischer Massnahme #sogen. ‚kleine‘ Verwahrung#)
36 „Das erstinstanzliche Gericht kann die ‚kleine‘ Verwahrung( … ) zur Behandlung von psychisch Kranken für höchstens fünf Jahre anordnen. Danach kann sie jedoch beliebige Male wiederum für fünf Jahre verlängert werden( … )“*
S.12:

III. MENSCHEN- UND GRUNDRECHTLICHE VORGABEN ZUR VERWAHRUNG

„Besonders folgende grund- und menschenrechtliche Standards tangiert:“

1. Recht auf persönliche Freiheit( … ):

37 „Art. 5 EMRK und Art. 9 UNO-Pakt II sowie( … ) Art. 10 Abs. 2 und Art. 31 der (schweiz.) Bundesverfassung (BV) schützen das Recht auf Freiheit und Sicherheit.“
38 „(Bei der Verwahrung) wiegt der Eingriff (des Freiheitsentzugs) umso schwerer, als die Dauer der Verwahrung ( … ) keine Obergrenze kennt.“
39 „(u.a.) Art. 5 EMRK wird auch verletzt, wenn während einer an sich rechtmässigen Verwahrung zwischen dem Haftgrund und der Art, dem Vollzugsort und den Bedingungen der Haft kein genügender Bezug besteht.“*
S .13:
40 „Auch der UNO-Menschenrechtsausschuss (teilt diese Auffassung): Ein Freiheitsentzug kann willkürlich i.S.v. Art. 9 UNO-Pakt II sein, wenn sich Art und Weise der Behandlung von Gefangenen nicht auf den Zweck der Inhaftierung beziehen. Zudem betont der Ausschuss in seinen Allgemeinen Bemerkungen zu diesem Artikel ausdrücklich, dass sich die Haftbedingungen beim Vollzug einer Verwahrung als nicht-punitive Massnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit von denjenigen des Strafvollzugs unterscheiden müssen. Sie dürfen einzig auf die Rehabilitation und Reintegration der betroffenen Personen ausgerichtet sein.“*

2. Menschenwürdige Haftbedingungen und das Verbot der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung

41 „Kerngehalt der persönlichen Freiheit ist das Verbot der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung, das folglich absolut gilt und keine Eingriffe zulässt.* Diese Garantie findet sich in Art. 10 Abs. 3 BV sowie in Art. 3 EMRK, Art. 1 und 16 FoK und Art. 7 UNO-Pakt II“
42 „Die Frage der Vereinbarkeit mit dieser Garantie kann sich im Zusammenhang mit einer Verwahrung sowohl bei der Ausgestaltung der Haftbedingungen als auch bei ihrer Anordnung stellen.“
43 „Für die Beurteilung massgebend sind die gesamten Umstände des Einzelfalls, namentlich die Dauer, die körperlichen und seelischen Auswirkungen sowie Aspekte wie der Gesundheitszustand, das Alter oder das Geschlecht der betroffenen Person.“*
44 “ … zudem (verankert auch) Art. 10 Abs. 1 UNO-Pakt II das Recht auf menschenwürdige· Haftbedingungen, das für alle Personen gilt, denen die Freiheit entzogen ist.“*
45 „Diese Garantie verlangt u.a., dass die Würde von inhaftierten Personen im gleichen Mass wie bei Personen in Freiheit gewährt werden muss und ihre Rechte nicht weitergehend eingeschränkt werden dürfen, als dass es der Freiheitsentzug mit sich bringt.“*
S.14:

3. Soft Law

46 (Quellen der konkreten und ergänzenden Beschlüsse u. Empfehlungen von Organen internationaler Organisationen – sog.’Soft law‘):* „des Ministerkomitees des Europarats zu verschiedenen Themenbereichen* und die dazugehörigen Kommentare* und im Besonderen die sog. Europäischen Strafvollzugsgrundsätze, die ‚CPT-Standards‘ des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (CPT)* sowie verschiedene Resolutionen der UNO-Generalversammlung*.“

4. Geltung der Rechtsgrundlagen für die Verwahrung

47 „Grund- und menschenrechtliche Vorgaben, die für Personen im Strafvollzug gelten, sind auch für Personen im Massnahmevollzug massgebend.“
S.15:

IV. GESETZLICHE GRUNDLAGEN ZUR VERWAHRUNG IN DER SCHWEIZ

1. Bundesebene
1.1. Gesetzgebungskompetenz

48 (Kompetenz liegt beim Bund, der diese jedoch) „nur rudimentär ausgeübt hat.“
49 „Es finden sich im StGB nur einige wenige grundsätzliche Vorgaben zum Justizvollzugsrecht.“
50 „Mangels eines eigentlichen eidgenössischen Strafvollzugsgesetzes ist der Straf- und Massnahmenvollzug daher weiter eine Domäne des kantonalen Rechts.* Die Kantone haben sich indes zu drei Strafvollzugskonkordaten zusammengeschlossen und so den Straf- und Massnahmevollzug bis zu einem gewissen Grad vereinheitlicht.“*

1.2. Anordnung der Verwahrung

51 „Nach Art. 56 Abs. 2 StGB darf “der #mit einer Massnahme# verbundene Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Täters im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und Schwere weiterer Straftaten nicht unverhältnismässig“ sein. Die Bedeutung des Verhältnismässigkeitsprinzips bei Anordnung strafrechtlicher Massnahmen wird dadurch besonders hervorgehoben.“*
S.16:
52 „Für die Beurteilung der Schwere des Eingriffs in die Rechte des Täters oder der Täterin sind die Dauer des Freiheitsentzuges und die Ausgestaltung des Vollzuges zu berücksichtigen.“*

1.3. Vollzug der Verwahrung

53 „Art. 74 StGB enthält zwei verfassungsrechtliche Grundsätze, präzisiert für den Straf- und Massnahmevollzug: Die Menschenwürde der Eingewiesenen ist zu achten. Deren Rechte dürfen nur so weit beschränkt werden, als der Freiheitsentzug und das Zusarrnnenleben in der Vollzugseinsrichtung es erfordern.“
54 „Die Gesetzessystematik macht deutlich, dass die Art. 75-89 StGB, welche die Grundsätze des Strafvollzugs kodifizieren, nicht für den Massnahmevollzug gelten sollen.“*
55 „Der Gesetzgeber nahm damit in Kauf, dass für den Massnahmenvollzug auf Bundesebene eine weit tiefere Regelungsdichte als für den Strafvollzug vorgesehen ist.“*
56 Er rechtfertigte das damit, dass( … ) die ärztlich geleiteten Massnahmeeinrichtungen den Kontrollen der Gesundheitsbehörden unterständen.“* (Anm.d.Schreibers: das sind, nebst wenigen Ausnahmen, fast ausschliesslich, zumeist ausgelastet, Psychiatrische Kliniken – mit Tagespreisen pro Person in ihren Sicherheitsabteilungen in drei bis dreieinhalbfacher Höhe gegenüber jenen in Strafanstalten)
57 Diese Vorbringen sind für den Verwahrungsvollzug nicht durchwegs überzeugend, findet dieser doch regelmässig in geschlossenen Strafvollzugseinrichtungen statt* und selbst Massnahmeeinrichtungen unterstehen nur sehr selten der Kontrolle der Gesundheitsbehörden.“*
S.16/17:
58 „Es drängt sich deshalb auf, gewisse Strafvollzugsgrundsätze des StGB sinngemäss auch auf den Vollzug der Verwahrung anzuwenden. #s. dazu aber hiernach unter 57)-62)!#11
59 Nicht explizit vorgesehen ist die sinngemässe Anwendung von Art. 75 StGB für den Verwahrungsvollzug, Praxis und Lehre gehen jedoch von der Geltung dieser Grundsätze auch für den Verwahrungsvollzug aus.*“
S.17: ( … )
60 „Eine allfällige Schlechterstellung von verwahrten Personen, die sich aufgrund einer mangelnden Anwendbarkeit dieser Grundsätze ergeben könnte, lässt sich jedenfalls kaum begründen.“ 61 „Nach Art. 75 Abs. 1 StGB hat der (Straf-)Vollzug das soziale Verhalten der eingewiesenen Person zu fördern, insbesondere die Fähigkeit, straffrei zu leben. Deshalb hat er den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit als möglich zu entsprechen, die Betreuung des Gefangenen zu gewährleisten, schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken ..• “
62 „Der zweite Satz von Art. 75 Abs. 1 StGB konkretisiert das fundamentale Vollzugsziel der Resozialisierung und Wiedereingliederung ( … )“*
63 „Nach dem Normalisierungsgrundsatz ist eine möglichst geringe Diskrepanz zwischen Vollzugswirklichkeit und den allgemeinen Lebensverhältnissen zu schaffen.“*
64 „Als Gegenstück zum Normalisierungsprinzip sieht das Entgegenwirkungsprinzip vor, dass schädliche Folgen der durch den Freiheitsentzug entstehenden Isolation zu vermeiden sind.“*
65 „Das Betreuungsprinzip auferlegt der Vollzugsinstitution eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber den eingewiesenen Personen, deren Handlungsfähigkeit durch den Freiheitsentzug eingeschränkt ist …. „*
S.18: ( … )
66 „Unter dem siebenten Teil des StGB finden sich weitere für den Verwahrungsvollzug relevante Bestimmungen, insbesondere die Pflicht der Kantone, Anstalten für Gefangene in den verschiedenen Vollzugsarten (u.a. im Massnahmevollzug) zu errichten und zu betreiben, gegebenenfalls unter Führung spezieller Abteilungen für besondere Gefangenengruppen.“*

2. Konkordatsebene

67 (Drei regionale Strafvollzugskonkordate: ‚das Ostschweizer- #worunter u.a. auch der Knt. Zürich fällt#, das Zentralschweizer- #mit u.a. Basel, Luzern, Bern# und das Lateinischschweizer-Konkordat #mit Romandie und Tessin#)
68 (Die Konkordate regeln) „auch den Vollzug der Verwahrung.“* (Dazu gehören) „die Pflicht der Kantone zur Bereitstellung der Einrichtungen für die Verwahrung nach Art. 64 Abs. 4 StGB.* Die (Regelung der) Einweisungsmodalitäten (und die) Ausgangs- und Urlaubsgewährung (sowie die) Gewährung des Arbeits- und Wohnexternats und (die) Vollzugsplanung“.
69 „Einzig das Ostschweizer Konkordat formuliert spezifische Empfehlungen für den Vollzug der Verwahrung … “
70 (das Ostschweizer Konkordat) „gewichtet( … ) die Individualinteressen der verurteilten Person und den Wiedereingliederungsauftrag geringer als den Schutz der öffentlichen Sicherheit. ( … )“
S.18/19
71 Gleichzeitig verweist die Empfehlung auf das Verhältnismässigkeitsgebot der Europäischen Strafvollzugsgrundsätze* und von Art. 74 stGB. ( ••. ) Der Vollzug sei durch möglichst grosse Freiheit innerhalb der Vollzugseinrichtung menschenwürdig zu gestalten.“
72 Insbesondere sei der notwendige Sicherheitsstandard im Einzelfall aufgrund der Persönlichkeit der verwahrten Person zu bestimmen. Es bedürfe nicht für jede verwahrte Person den Sicherheitsstandard einer geschlossenen Strafanstalt.“*
S.19:

3. Kantonale Ebene

73 „Regelmässig finden sich in den kantonalen Einführungsgrundsätzen ( … ) keine expliziten Regelungen zum Verwahrungsvollzug.“
S.19/20:
74 „(u.a. regeln Kantonale Verordnungen) den Vollzugsort*, die Aufhebung und Entlassung*, ( … ) Vollzugslockerungen***, den Umgang mit besonders vulnerablen Gruppen*, das Verhältnismässigkeitsprinzip im Vollzug* … Auch hier ist zu beachten, dass diese Regelungen meist für den Vollzug im Allgemeinen gelten.“
S.20:
75 „(Es) finden sich kaum verwahrungsspezifische Vorgaben oder solche zu älteren oder Langzeitinsassen.“*
76 (In den Hausordnungen, Weisungen und Merkblättern der Anstaltsleitung oder des zuständigen Amtes finden sich) „auch kaum spezifische Anordnungen zum Vollzug der Verwahrung oder zu verwandten Fragestellungen.“
77 „Auch scheint oft wenig geklärt, ob der( … ) regelmässig verwendete Begriff des Massnahmenvollzugs sich nur auf stationäre therapeutische Massnahmen i.S.v. Art. 59 ff. StGB (sogen. ‚kleine‘ Verwahrung) bezieht, oder auch auf die (sogen. ‚gewöhnliche‘) Verwahrung.“
S .21:

V. EIN BESONDERES HAFTREGIME FUR DEN VERWAHRUNGSVOLLZUG?

78 „Die Verwahrung stellt einen sicherheitsbedingten und rein präventiven Freiheitsentzug dar, d.h. losgelöst von punitiven Charaktermerkmalen.“

1. 1. Internationale Vorgaben

79 „Der UNO-Menschenrechtsausschuss fordert in seiner Allgemeinen Bemerkung zu Art. 9 UNO-Pakt II ausdrücklich, dem nicht-punitiven Charakter einer Verwahrung sei mittels einer unterschiedlichen Ausgestaltung der Haftbedingungen im Vergleich zum Strafvollzug Rechnung zu tragen. („nicht-punitiv“ = „nicht-strafend“)* „Die Verwahrung als Massnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit müsse einzig.auf die Rehabilitation und Reintegration der betroffenen Person ausgerichtet sein.“*
80 „Die EGMR hat( … ) im Urteil M. gegen Deutschland die Sicherungsverwahrung als Strafe i.S.v. Art.7 Abs.1 EMRK eingestuft.“*
81 „Soll eine Massnahme daher keine Strafe darstellen, ist damit auch gemäss EGMR dieser Tatsache etwa durch eine Modifikation der Vollzugsbedingungen Rechnung zu tragen. 11
82 „Unter Bezugnahme auf dieses Urteil hält auch ( … ) der Europarat fest, bei einem Freiheitsentzug zum Schutz der Öffentlichkeit vor zukünftigen Delikten, der über die normale strafrechtliche Sanktion hinaus andauert, sollten die Vollzugsmodalitäten erträglich und wenn irmmer möglich besser sein als in ‚ordentlichen‘ Gefängnissen“*.

1.2. Exkurs: Situation in Deutschland

83 „(Deutschland sei besonders konform) So fordert das deutsche Bundesverfassungsgericht, dass über ‚den unabdingbaren Entzug der ‚äusseren‘ Freiheit hinaus weitere Belastungen vermieden werden‘ sollen und dem besonderen Charakter der Verwahrung ‚durch einen freiheitsorientierten und therapeutischen Vollzug Rechnung getragen werden #muss#, der den allein präventiven Charakter der Massregel sowohl gegenüber dem Untergebrachten als auch gegenüber der Allgemeinheit deutlich macht( … ‚Abstandsgebot‘ … )'“*
84 „(für die Sicherungsverwahrung sei… ) mit dem Ziel ( … ) auf diese Weise die Dauer der Freiheitsentziehung auf das unbedingte erforderliche Mass zu reduzieren.“*
85 „(Der … ) Eingriff wiege äusserst schwer, da ( … er) im Interesse
der Allgemeinheit ein ‚Sonderopfer‘ abverlange, da der Freiheitsentzug nicht auf bewiesenen begangenen Taten beruht, sondern nur auf einer notwendigerweise mit Unsicherheiten behafteten Gefährlichkeitsprognose.“*
86 „(Das Deutsche Bundesverfassungsgericht fordert,) dass sich der Vollzug der Sicherungsverwahrung( … ) deutlich vom Strafvollzug zu unterscheiden hat, d.h. hinsichtlich der Unterkunft und der übrigen Haftbedingungen grosszügiger ausgestalten muss.“*
S.23:
87 „das Abstandsgebot wurde in Deutschland in §66c des deutschen Strafgesetzbuches rechtsatzmässig verankert.“*

1.3. Situation in der Schweiz

88 „Weder die Rechtsgrundlage noch die schweizerische Vollzugspraxis unterscheiden aufgrund der unterschiedlichen Rechtsnatur von Strafen und Verwahrungen zwischen dem Vollzug dieser Sanktionen. Verwahrte Eingewiesene erfahren in den Justizvollzugsanstalten daher grundsätzlich dieselbe Behandlung wie Personen im Strafvollzug oder umgekehrt formuliert, sie erhalten wegen ihres Status als Verwahrte keine Begünstigungen.“
89 „(ältere oder kranke und gebrechliche Verwahrte), häufig Insassen von Sonderabteilungen (in JVA), profitieren als Reflex( … ) daher oft dennoch von liberaleren Vollzugsmodalitäten“
(Anm.d.Schreibers: in der Pöschwieser „AGE“ #sogen. Altersabteilung# ist davon, ausgenommen längere Zellenöffnungszeiten und leicht kürzerer Arbeitszeit, wenig zu spüren – vielmehr werden die Haftbedingungen zunehmend verschärft und wird das Personal z.T. unprofessionell und zuweilen schikanös in seinen Aufsichts- und Betreuungstätigkeiten und in Einzelfällen zudem als unbestreitbar vorurteilsbeladen erfahren. Von der Abt. „60+“ in der JVA Lenzburg hört man diesbezüglich zwar von deutlich besseren Erfahrungen, jedoch war diese ursprünglich als Untersuchungsgefängnis konzipiert und ist baulich daher gerade für Verwahrte ungeeignet und wirkt, u.A. aufgrund der Sichtbeschränkungen #keine freie Sicht aus den Zellen# und dem vielen Beton, deprimierend.)
90 „Eine Empfehlung des Ostschweizer Konkordats fordert generell, den Verwahrungsvollzug innerhalb der Vollzugseinrichtung durch Einräumung möglichst grosser Freiheit menschenwürdig zu gestalten.“*
S.24:

1.4. Fazit

91 „Nicht nur völkerrechtlich verbriefte Menschenrechte, sondern auch das Verbot unverhältnismässiger Eingriffe in das Grundrecht der persönlichen Freiheit legen nahe, dass zu einer Verwahrung Verurteilte spätestens nach Verbüssung ihrer Freiheitsstrafe einem weniger rigiden ( … ) Regime unterstehen sollten.“
93 „Die internationalen Vorgaben haben in der kantonalen Gesetzgebung bisher keinen Niederschlag gefunden.“
94 “ … die nach wie vor entsprechend den Regeln des Strafvollzugs erfolgende Verwahrung (stellt) den Normalfall (dar) und (entspricht) daher kaum den völker- und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen.“
S.25:

VI. STANDARDS ZUR AUSGESTALTUNG DES VERWAHRUNGSVOLLZUGS

1. Allgemeine Vorgaben für den Vollzug der Verwahrung

95 „Die Haftbedingungen sind verhältnismässig auszugestalten. ( … und müssen) die Menschenwürde wahren.“*
96 „Es soll in jedem Einzelfall die individuellen Bedürfnisse und das Risikoverhalten festgehalten und der Vollzug entsprechend ausgestattet werden.“*
S.26:

1.2. Normalisierungsprinzip

97 „Das Leben in einer Vollzugseinrichtung soll nach dem Grundsatz der Normalisierung so weit wie möglich demjenigen in der Gesellschaft entsprechen.* ( … ) Die Behandlung der inhaftierten Personen soll nicht ihren Ausschluss aus der Gesellschaft, sondern ihre weitere Zugehörigkeit dazu betonen.“*
98 „(die Inhaftierten) sollten ( … ) im täglichen Leben in der Vollzugseinrichtung Möglichkeiten haben, eigenverantwortlich zu handeln.“*
99 „Das soziale Verhalten (des Verwahrten) und deren Wiedereingliederungschancen sollen gefördert werden.“*

1.3. Entgegenwirkungsprinzip

100 „Die Behandlung inhaftierter Personen hat den negativen Auswirkungen eines Freiheitsentzuges – v.a. wenn dieser wie bei der Verwahrung von langer Dauer ist – entgegenzuwirken.“*
101 „Zu den möglichen schädlichen Folgen können laut dem Ministerkomitee des Europarats Institutionalisierung, Passivität, Verlust des Selbstwertgefühls und Depressionen gehören … „*
S.27:
102 „Die inhaftierten Personen sollen über ihre Rechte und Pflichten sowie die Anstaltsordnung und den Tagesablauf in der Vollzugseinrichtung informiert sein, und in möglichst vielen Bereichen des täglichen Lebens eigene Entscheidungen treffen können.“
103 Das CPT fordert ein Haftregime, das in positiver und proaktiver Weise einen Ausgleich anstrebt und nennt mögliche Massnahmen, um negative Wirkungen der Institutionalisierung von Langzeitinsassen abzuschwächen: ( … ), die Möglichkeit zu einer gewissen selbstbestimmten Wahl der Alltagsgestaltung ( … ), individuelle Vollzugspläne und geeignete psychosoziale Unterstützung.“*

1.4. Grundsatz der Individualisierung und Klassifizierung

104 “ … die unterschiedlichen persönlichen Eigenschaften der inhaftierten Personen (sollen) berücksichtigt werden … „* „zu den zu beachtenden Eigenschaften gehören etwa Alter, intellektuelle Fähigkeiten, Bildungsniveau, soziale Herkunft, soziale Umstände, Persönlichkeit und typische Denkweisen und Verhalten.“*
S.28:

2. Schutz nach Aussen und Innen

2.1. Allgemeines

S.29

2.2. „Gefährliche“ Inhaftierte

2.2. 1. Internationale Vorgaben

108 „Zur Kategorie der gefährlichen Täter und Täterinnen zählt das Ministerkomitee des Europarates Personen, die aufgrund eines schweren Sexual- oder Gewaltdeliktes ( … ) verurteilt wurden und mit einer hohen Wahrscheinlichkeit erneut eine solche Tat begehen.“*
S.30:
106 „Die Behörden sind gemäss Europarat zudem angehalten, einer allfälligen Diskriminierung und Stigmatisierung von gefährlichen Inhaftierten entgegenzuwirken.“*

2.2.2. Situation in der Schweiz

07 „Die Beurteilung der Gemeingefährlichkeit hat sich( … ) auf eine umfassende Prüfung, m.a.W. auf eine willkür- und rechtsfehlerfreie Risikokalkulation zu stützen“* Die forensische Begutachtung ( •.. hat) die psychische Verfassung der zu beurteilenden Person( … ) abzuklären und prognostisch einzuschätzen; die Behörde darf sodann von der fachgutachterlichen Beurteilung nicht ohne triftige Grunde abweichen.“*
S.31:
108 ( … ) „Fehleinschätzungen können sich dabei als ‚false negative'(= Gefährlichkeit unterschätzt) oder ‚false positive‘ (= fälschlicherweise von einer Gefährlichkeit ausgegangen) herausstellen.“*
109 „(Es ist) „gesetzlich vorgesehen, dass das Gericht eine Massnahme in der Regel nur anordnet, wenn eine geeignete Einrichtung zur Verfügung steht,* und dass eine Massnahme, fur welche die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind, aufzuheben ist.“*

2.3. Sicherheit gegen aussen

S.32:

2.3.2. Situation in der Schweiz

110 „In der Praxis ist der Vollzugsort für die grosse Mehrheit der verwahrten Personen eine geschlossene Justizvollzugsanstalt; meist im Normalvollzug aber bei Vorliegen grosser Fluchtgefahr oder bei Drittgefährdung allenfalls auch im Sicherheitsvollzug; lediglich 13% der Verwahrten sind in offenem Massnahmeeinrichtungen oder anderweitigen Einrichtungen untergebracht.“*

2.4. Sicherheit gegen innen

S.33:

2.4.2. Situation in der Schweiz

111 „Einzelhaft ist( … ) nur dann zulässig, wenn dies für den Schutz der betroffenen Person oder Dritter notwendig ist, als vorübergehende therapeutische Massnahme oder kurzfristig als Disziplinarsanktion.“*
S.34:

2.5. Fazit

112 „Ob ( … ) alte und gebrechliche Verwahrte weiterhin in Anstalten mit höchsten Sicherheitsstandards festgehalten werden müssen, erscheint zumindest fragwürdig.“

3. Vollzugsplanung und Behandlung

3.1. Internationale Vorgaben

113 „Die Europäischen Strafvollzugsgrundsätze ermpfehlen, ein besonderes Augenmerk auf die Vollzugsplanung bei Personen mit einer lebenslangen Haftstrafe und sonstigen Langzeitinhaftierten zu legen.* Nach der Empfehlung des Ministerkomitees über die Behandlung (solcher Inhaftierten) gelten als Langzeitinhaftierte bereits Personen mit einer oder mehreren Freiheitsstrafen von einer Gesamtdauer von fünf oder mehr Jahren.“*
114 „(Nach dem Grundsatz der Individualisierung) soll ein strukturiertes Haftregime die Zeit im Freiheitsentzug zudem nutzbringender (more constructiv) machen.*( … ) Progression kann ein wichtiges Mittel gegen den geistigen Abbau und bei der Vorbeugung von schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges im Allgemeinen sein … „*
S.35:
115 „Gemäss CPT-Standards soll das Haftregime bei Langzeitinhaftierten anstreben, in positiver und proaktiver Weise die entsozialisierenden Auswirkungen der Langzeithaft (z.B. Institutionalisierung, Entwicklung von psychischen Problemen) auszugleichen.“*
116 „Diejenigen Täter und Täterinnen, die fUr eine unbestimmte Zeit inhaftiert sind, befinden sich in einer ausserordentlichen Stresssituation, da kein genaues Entlassungsdatum feststeht.“
117″Bei Personen, die möglicherweise ihr gesamtes künftiges Leben in einer Vollzugseinrichtung verbringen werden, soll mit besonderer Aufmerksamkeit eine dynamische Planung erfolgen, die den Zugang zu sinnvollen Tätigkeiten und geeigneten Programmen ermöglicht.“*
118 „(Gemäss verschiedenen Soft-Law-Empfehlungen und auch in der Rechtssprechung des EGMR ..• sollen) Verwahrte die reelle Chance haben, die Gefährlichkeit zu vermindern, die Grund ihres Freiheitsentzuges ist.“*
S.36:
119 „(Das EGMR) erachtete es angesichts der unbestimmten Dauer der Sicherungsverwahrung (D) zudem einerseits als notwendig, dass besondere Bemühungen zur Unterstützung der Betroffenen unternommen werden, da diese regelmässig nicht in der Lage seien, durch eigene Anstrengungen Fortschritte in Richtung Entlassung zu machen.* Andererseits bedurften verwahrte Personen in besonderer Weise psychologischer Betreuung und Unterstützung.“*

3.2. Situation in der Schweiz

120 „Verwahrte Personen sind zu einem Freiheitsentzug verurteilt, der an keine Obergrenze gebunden ist und damit lebenslang dauern kann. ( … ) Am Stichtag 31. Dezember 2013 (befanden sich) 97 von 144 Personen mit einer Verwahrung nach Art.64 StGB bereits seit über zehn Jahren im Vollzug; weitere 36 verwahrte Personen befanden sich seit über fünf Jahren im Freiheitsentzug.* Verwahrte in der Schweiz sind daher stets Langzeitinhaftierte im Sinne der internationalen Vorgaben.“
S.37:
121 „(Die Gesetze über Straf- und Massnahmevollzug*) oder die entsprechenden Verordnungen*( … ) enthalten( … ) keine spezifischen Bestimmungen zur Ausgestaltung von Vollzugsplänen für ältere oder für auf lange Dauer Eingewiesene.“

3.3. Fazit

122 „In der Praxis dürfte (in den Schweizer Kantonen) angesichts des oft kaum absehbaren Fernziels in Richtung Entlassung oder auch einer Umwandlung in eine andere Massnahme die Festsetzung von Zielen, welche Fortschritte in Richtung Entlassung ermöglichen, kaum realistisch sein.“
123 „Die Gefahr, dass damit die Vollzugsplanung auch angesichts der oft nur rudimentären psychiatrischen Behandlung von Personen im Verwahrungsvollzug zu einer Alibiübung wird, ist daher nicht von der Hand zu weisen.“

4. Resozialisierung und Wiedereingliederung*

4.1. Internationale Vorgaben

124 „Als besonders geeignet zur Wiedereingliederung von ausgewählten Inhaftierten nennen die Nelson Mandela Rules offene Vollzugseinrichtungen, bei denen die Sicherheit nicht mittels physischer Sicherheit gegen Fluchten, sondern gestutzt auf die Selbstdisziplin der betroffenen Personen sichergestellt wird.“*
S.38:
125 „Gerade mit Blick auf den in der Regel lange dauernden Freiheitsentzug bei einer Verwahrung gilt es, eine sorgfältige Vollzugsplanung vorzunehmen, um die Gefahr von Haftschäden möglichst zu minimieren.“*
126 „Den betroffenen Personen soll eine schrittweise Rückkehr in die Gesellschaft ermöglicht werden.“*
127 „Eine wichtige Rolle spielt dabei der Kontakt zur Aussenwelt, da es kaum zielführend wäre, eine Person etwa aus einer Hochsicherheitsabteilung direkt in die Freiheit zu entlassen.“*
128 „Die EGMR hält in seiner Rechtsprechung fest, es sei kaum mit der Menschenwürde vereinbar, wenn eine Person ohne Möglichkeit auf Wiedererlangung der Freiheit inhaftiert werde. ( … ) So werde denn mittlerweile sowohl im europäischen als im internationalen Recht anerkannt, dass auch lebenslang Inhaftierte die Möglichkeit für eine Rehabilitation und die Aussicht auf eine Entlassung, wenn diese erreicht ist, haben sollen. „*

4.2. Die Situation in der Schweiz

S.39:
129 „In der Praxis sind spezifische Resozialisierungsmassnahmen für verwahrte Personen ( … ) kaum existent: Bei Personen im Verwahrungsvollzug ist von fehlender Therapierbarkeit auszugehen; sie werden daher i.d.R nicht in Massnahme-, sondern in Strafvollzugsanstalten festgehalten* und auf psychotherapeutische Massnahmen wird weitgehend verzichtet.“

4.3. Fazit

130 „Der aus Art. 3 EMRK abgeleiteten Verpflichtung, auch bei lebenslang oder auf unbestimmte Zeit Inhaftierten eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft anzustreben, wird in der Schweiz kaum nachgelebt, obwohl die rechtlichen Grundlagen den internationalen Vorgaben an sich Rechnung tragen.
S.39/40:
131 „(die Verwahrung stellt) heute in aller Regel eine ausweglose Endstation dar. Dieser Praxis wohnt indes ein hohes Risiko einer Verletzung des Rechts auf Freiheit und Sicherheit wie auch auf das Verbot unmenschlicher Behandlung inne: Denn je länger eine Präventivhaft dauert, desto mehr muss der Staat nachweisen, dass er alles in seiner Möglichkeit Stehende unternorrmen hat, damit die betroffene Person wieder in die Gesellschaft integriert wird.“
S.40:
132 „Kapitulieren staatliche Behörden aber vollends und stellen jegliche Bemühungen um Resozialisierung und damit um eine mögliche Beendigung dieser Massnahme ein, bestehen starke Indizien für eine Verletzung des Verbots unmenschlicher Behandlung.“

5. Arbeit

5. 1. Internationale Vorgaben

133 „Der Europarat empfiehlt( … ) den Wegfall der Arbeitspflicht nach Erreichung des Rentenalters.“
134 „Die Arbeit in einer Vollzugseinrichtung ist so auszugestalten, dass sie die Fähigkeiten der inhaftierten Personen bewahrt oder steigert.“*
135 „Die Arbeitsbedingungen müssen möglichst denjenigen ausserhalb des Freiheitsentzuges entsprechen und damit dem Normalisierungsprinzip Rechnung tragen.“*
S .41:
136 “Die Interessen der inhaftierten Personen und ihre Berufsausbildung sind ( … ) nicht dem Zweck einer Gewinnerzielung unterzuordnen*. Innerhalb der durch die Einrichtungsadministration, Disziplin und Auswahl eines geeigneten Berufs vorgegebenen Grenzen sollen die inhaftierten Personen die Art der Arbeit selber wählen können.“*

5.2. Situation in der Schweiz

137 „Das Bundesgericht hält( … ) dafür, dass die Arbeitspflicht bei einer verwahrten Person im Rentenalter weiterhin besteht.* Es betont, die Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates begründeten keine subjektiven Rechte und Pflichten. Sie seien ’nicht in der Weise völkerrechtlich verbindlich, dass deren Missachtung für sich allein als Verstoss gegen verfassungsmässiger Rechte der Bürger# … # angefochten werden könnte‘ und sie konkretisierten lediglich den Normalisierungsgrundsatz, der bei älteren Inhaftierten jedoch in den Hintergrund rücke.* Der EGMR bestätigte mit Urteil vom 9. Februar 2016, dass Ziff. 105.2 der europäischen Strafvollzugsgrundsätze nicht zwingend als absolutes Verbot der Arbeitspflicht für Eingewiesene im Rentenalter zu verstehen sei. Mangels Konsens der Mitgliedstaaten der EMRK über die Zulässigkeit einer Arbeitspflicht für Eingewiesene im Rentenalter stehe den schweizerischen Behörden bei der Regelung dieser Frage ein Ermessenspielraum zu.*( … ) Auf die besondere rechtliche Situation
von verwahrten Personen im Rentenalter ging das Gericht nicht ein.“
(Anm.d.Schreibers: der vorliegende Punkt 139) bezieht sich gänzlich auf den – entbehrungsreichen und doch gescheiterten – Versuch des Schreibers, für pensionierte Gefangene künftig lediglich ein Arbeitsangebot, jedoch keine Arbeitspflicht mehr zu erstreiten.)

5.3. Fazit

138 „(Nach Ansicht der Verfasser der Forschungsarbeit} sollte (bei Verwahrten im Pensionsalter) die Arbeit zugunsten rehabilitativer, sozialer und freizeitorientierter Aspekte in den Hintergrund treten“*
S.42:
139 … ‚pensionierten‘ Verwahrten sollte aber (auf deren Wunsch) selbstverständlich Arbeitsmöglichkeiten geboten ( … ) werden.
S.43:

6. Aktivitäten und Beschäftigung

6. 1. Internationale Vorgaben.

140 „Allgemein sollen die speziellen Bedürfnisse von älteren Personen berücksichtigt werden: Aktivitäten sollen an ihre Fähigkeiten angepasst werden und auf die Erhaltung ihres physischen und psychischen Wohlbefindens ausgerichtet sein.“*
141 „Um ein Gefühl von Autonomie und Selbstverantwortung zu entwickeln, soll ihnen eine gewisse Wahl in der Tagesgestaltung eingeräumt werden.

6.2. Situation in der Schweiz

S.44:
142 „Spezielle Vorgaben für verwahrte oder ältere Eingewiesene( … ) kennt das kantonale Recht hingegen nicht. Ein Bericht zu älteren Personen im Straf- und Massnahmenvollzug des Amts fUr Justizvollzug des Kantons Zürich bestätigt aber, dass sich der Vollzugsalltag älterer Eingewiesener durch altersgerechte Betreuung und Pflege sowie gemeinschaftsfördernde Aktivitäten und Archidektur auszeichnen sollte.* (Empfehlung von Beschäftigungs- und Freizeitangeboten) unter Anpassung des Verhältnisses zwischen fremdbestimmter Zeit und Dispositionszeit an das altersbedingte Bedürfnis nach Rückzug und Ruhe.“*
143 „(Neben der Abt. 60+ in der JVA Lenzburg) Ein anderes Beispiel einer speziellen Abteilung für ältere eingewiesene Personen kennt die JVA Pöschwies, in deren Gruppe ‚Alter und Gesundheit‘ gegenwärtig 30 Personen untergebracht sind, welche u.a. längere Zellenöffnungszeiten und die Möglichkeit grosszügigerer Hofbenutzung als im sonstigen Vollzug geniessen.“ (Siehe aber dazu auch die Anm.d.Schreibers oben unter 86.)

6.3. Fazit

144 „Je länger die Haft und je weniger realistisch eine Entlassung in die Freiheit erscheint, desto zentraler ist die Möglichkeit, dass einer inhaftierten Person auch innerhalb einer Haftsituation Lebensperspektiven ermöglicht werden.“
S.45:

7. Kontakt zur Aussenwelt

7. 1. Internationale Vorgaben

145 „Kontakte zur Aussenwelt sind von grosser Bedeutung, um schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken.*
146 „Um der Wichtigkeit der Aufrechterhaltung von sozialen und familiären Bindungen Rechnung zu tragen, ist der Vollzugsort möglichst in der Nähe von Angehörigen zu wählen.“*

7.2. Situation in der Schweiz

S.46:
147 „Weder auf Bundes- noch auf kantonaler Ebene finden sich Rechtsgrundlagen, die spezielle Bestimmungen für verwahrte, ältere oder für längere Dauer eingewiesene Personen vorsehen wurde.“

7.3. Fazit

148 „Kontakte nach Aussen stellen für jahrzehnte- oder gar lebenslang Inhaftierte(,,,) ohne realistische Entlassungsperspektive zeitlich unbegrenzt die einzige Kontaktmöglichkeit in die Aussenwelt.“
149 „(Bei Verwahrten) sind die Behörden aber auch gehalten, den durch den Freiheitsentzug an sich massiv tangierten persönlichen Beziehungen möglichst keine weiteren Schranken aufzuerlegen.
150 „Verwahrten sind ( … ) grosszügigere Telefon-, Brief- und Besuchsregelungen einzuräumen oder allenfalls auch gesicherte Kontakte via Skype u.ä. zu erlauben, soweit einem solchen Vorhaben nicht klare Sicherheitsbedenken entgegenstehen.“*

8. Vollzugslockerungen

8.1. Allgemeines

8 1.1. Internationale Vorgaben

151 „Die Empfehlung des Europarats zu Langzeitinhaftierten hält fest, dass die individuelle Planung eine fortlaufende Entwicklung durch das Vollzugssystem hindurch sicherstellen soll.* Bei Personen mit einem längeren Freiheitsentzug ist im Besonderen dafür zu sorgen, dass eine schrittweise Rückkehr in die Gesellschaft möglich ist.“*
S.46/47:
152 „Dies kann durch ein Entlassungsvorbereitungsprogramm in der Vollzugseinrichtung erreicht werden oder durch eine bedingte Entlassung unter Aufsicht und verbunden mit einer sozialen Unterstützung.“*
S.47:
153 „Für verwahrte Personen empfiehlt das Ministerkomitee den zuständigen Behörden, die Reduktion von Freiheitseinschränkungen und eine Entlassung aus der Verwahrung als Ziel zu verfolgen … „*
154 „Das CPT führte nach seinem Besuch in der Schweiz im Jahr 2011 aus: ‚Verwahrte Personen sollten erkennen können, dass Fortschritte bis hin zu ihrer Entlassung möglich sind, und insbesondere Gelegenheit erhalten, ihre VertrauenswUrdigkeit im Rahmen von Erleichterungen beim Massnahmenvollzug (Urlaub etc.) unter Beweis zu stellen …. „*

8.1.2. Situation in der Schweiz

155 „Es ist (in der Schweiz) vorgesehen, dass für die Bewilligung von Vollzugsöffnungen die Bestimmungen zum Strafvollzug sinngemäss auf den Massnahmenvollzug anwendbar sind.* Auch der Massnahmenvollzug hat folglich grundsätzlich auf eine Progression ausgerichtet zu sein.* (gefolgt vom Hinweis, dass hierzulande für Verwahrte vorgängig „die Gemeingefährlichkeit beurteilt“*wird)
S.48:
156 „Gemäss der Ostschweizer Strafvollzugskommission für den Vollzug der Verwahrung sind auf Wiedereingliederung ausgerichtete Vollzugsöffnungen nicht sinnvoll, da sich der Verwahrungsvollzug nicht auf die bedingte Entlassung ausrichte.* Sie seien zwar nicht – wie beim Vollzug der lebenslänglichen Verwahrung (nach Art.64 lbis StGB) – grundsätzlich ausgeschlossen, sie kämen jedoch nur in begründeten Ausnahmefällen in Frage;* … unbegleitete Vollzugsöffnungen seien nicht zu gewähren.“*
S.49:

8.2. Ausgang und Urlaub

8.2.1. Internationale Vorgaben

157 „Das Ministerkomitee des Europarats empfiehlt, Urlaube von inhaftierten Personen ‚aus medizinischen, erzieherischen, beruflichen, familiären und anderen sozialen GrUnden möglichst grosszügig zu gewähren‘.“* Es soll ihnen ( … ) z.B. gestattet werden, (…) erkrankte Verwandte zu besuchen, an einer Beerdigung teilzunehmen „*
158 „(Urlaube können) als Testfelder dienen: zum einen für die betroffene Person selber; zum anderen als Anhaltspunkt für die Behörden beim Entscheid, ob die inhaftierte Person für eine Entlassung geeignet ist.“*
159 „Auch die Empfehlung über die Behandlung von Strafgefangenen mit langen Freiheitsstrafen hält fest, dass ein Ausgang ’nicht als Hafterleichterung, sondern als integrierenden Bestandteil des Behandlungsprogranrns‘ zu gewähren ist.“*
160 „Die Urlaubsgewährung bei Tätern und Täterinnen mit einer ’sichernden Massnahme‘ ( … ) ist ebenfalls zu erwägen.“*

8.2.2 Situation in der Schweiz

S.50:
161 „Bei der Gewährung von Urlaub steht den kantonalen Behörden ein weiter Ermessensspielraum zu: eine Verweigerung erfordert jedoch ernsthafte und objektive Gründe.“*
162 „In einem jüngeren Entscheid hielt das Bundesgericht Überdies fest, dass das StGB keine Ausgänge aufgrund rein humanitärer Überlegungen kenne.“
163 „Die Richtlinien des Strafvollzugskonkordats der Nordwest- und der Innerschweiz zu Ausgangs- und Urlaubsgewährung sind auch auf die ordentliche Verwahrung anwendbar.* Gemäss diesen dienen Ausgang und Urlaub u.a. der Aufrechterhaltung des Bezugs zur Aussenwelt und zur Strukturierung eines langen Vollzugs.“*

8.3. Versetzung in eine offene Einrichtung, Arbeits-, Wohnexternat

8.3.1 Situation in der Schweiz

164 „Die erste Stufe einer Vollzugslockerung besteht i.d.R. im Übertritt (…) in eine offene Einrichtung … aus
Art. 77a Abs. 2. 1.V.m. Art.90 Abs.2bis StGB ergibt sich (…) dass diese Möglichkeit (auch für eine verwahrte Person) vorgesehen ist.“
S.51/52:
165 „(Ebenso ist auch ein Arbeits- und Wohnexternat für verwahrte Personen möglich) …dafür sind wiederum die Bestimmungen des Strafvollzugs anwendbar.“
S.52:

8.4. Bedingte Entlassung

8.4.1. Internationale Vorgaben

S.52/53:
166 „(Das CPT – Europäisches Komitee zur Verhutung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung) … forderte die Schweiz (nach seinem Besuch hier im Jahr 2011) auf, das Konzept der Verwahrung ‚auf Lebzeiten‘ zu überdenken, da es nach seiner Ansicht unmenschlich ist, eine Person ohne echte Hoffnung auf Entlassung lebenslänglich einzusperren.“*
(Anm.d.Schreibers: Beim hier erwähnten Besuch 2011 konnte dieser ausführlich mit der Leiterin der Delegation sprechen. Dabei verwies er auch auf die schon damals zunehmende Tendenz, die ‚gewöhnliche‘ Verwahrung nach Art.64 StGB in der Realität der ‚lebenslänglichen‘ Verwahrung nach Art.64 lbis anzugleichen, indem einerseits die sogen. jährlichen ÜberprUfungen meist nur noch als Alibiübung ohne jegliche Einzelfallprüfung ‚abgehakt‘ oder oft gleich ganz darauf verzichtet wurde. In der Folge bediente der Schreiber die CPT über die Jahre regelmässig brieflich mit Berichten über die Situation von Verwahrten hier. Das CPT würdigt und verdankt die „wichtigen Beiträge und Informationen“.)
S.53:
167 „Der Gerichtshof (EGMR) hält ( … ) fest, dass es nicht mit der Menschenwürde vereinbar wäre, einer Person die Freiheit zu entziehen ohne zumindest die Möglichkeit vorzusehen, eines Tages wieder aus der Haft entlassen zu werden.“*
168 „Zu Beginn eines Vollzugs soll eine inhaftierte Person, entweder den Zeitpunkt einer vorgesehenen Entlassung von Rechts wegen, oder den möglichen Zeitpunkt der Bewilligung einer bedingten Entlassung und die dafür massgeblichen Kriterien kennen.“* ( … ) Massgebend sind
nicht die Verhältnisse im Zeitpunkt der Anordnung der Sanktion, sondern die aktuellen Umstände.“*
S.54:

8.4.2. Situation in der Schweiz

169 „Das StGB sieht die bedingte Entlassung sowohl aus der ordentlichen* (‚gewöhnlichen‘) wie auch der lebenslänglichen* Verwahrung vor … ) .. (Die zuständige Behörde) prüft von Amtes wegen mindestens einmal jährlich ( … ), ob und wann der Täter aus der Verwahrung bedingt entlassen werden kann … „*
170 „Sie stützt ihren Entscheid dabei auf einen Bericht der Anstaltsleitung, eine unabhängige, sachverständige Begutachtung im Sinne von Art. 56 Abs.4 StGB, die Anhörung der kantonalen Kommission i .S.v. Art. 62d Abs.2 StGB wie auch auf die Anhörung des Täters.“* S.55:

8.5. Fazit

171 „Da die bereits heute (Stand 2016) rigide Anwendung der Regeln zu Vollzugslockerungen künftig weiter verschärft werden dürfte, wird der Bereich Vollzugslockerungen in der Realität verwahrter Personen kaum eine nennenswerte Option darstellen. Ob diese Tatsache mit menschenrechtlichen Vorgaben kollidiert, kann nur mit Bezug auf einen konkreten Einzelfall beantwortet werden.“
172 „Vor dem Hintergrund einer Haftrealität, die sich für Personen im Verwahrungsvollzug im Regelfall bis zu ihrem Lebensende ununterbrochen hinter Gefängnismauern abspielt, ist daher die Ausschöpfung aller Möglichkeiten gefordert, den Haftalltag so freiheitlich auszugestalten wie es sicherheits- und anstaltsbedingt möglich erscheint.“

9. Gesundheitsversorgung

9. 1. Staatliche Schutz- und Fürsorgepflichten Bereich Gesundheitsversorgung

9. 1. 1. Internationale Vorgaben

73 „Die Behörden ( … ) sind verpflichtet, eine angemessene Gesundheitsfürsorge bereitzustellen und dafür zu sorgen, dass der Freiheitsentzug die Gesundheit der Betroffenen nicht wesentlich beeinträchtigt.“*
S.56:
174 „Die medizinische Versorgung hat dabei nach dem sogenannten Äquivalenzprinzip innerhalb des Justizvollzugs gleichwertig zu sein wie diejenige ausserhalb.* Dies gilt gleichermassen für die somatische wie auch die psychiatrische Versorgung. (Für spezialisierte Behandlung oder Operation) soll (die inhaftierte Person) in eine Spezialeinrichtung oder in ein ziviles Krankenhaus verlegt werden.“*

9. 1.2. Situation in der Schweiz

175 „(Nach Schweizer…Recht ist obiges auch vorgesehen) Es ist hierbei insbesondere (u.a. auch) an die Bereitstellung gesunder Nahrung sowie Bewegungsmöglichkeiten zu denken.“
S.57:
176 “ … Das (Schweizer) StGB ermächtigt den Bund ausdrücklich dazu, spezifische Bestimmungen zum Vollzug von Strafen und Massnahmen an kranken, gebrechlichen und betagten Personen zu erlassen.* Von dieser Kompetenz hat er bis heute nicht Gebrauch gemacht.“
(Anm.d.Schreibers: zwei Beispiele, welche hierbei teils gravierende Mängel zumindest in dieser JVA (Pöschwies) aufzeigen sollen:
1. Ein verwahrter Afroamerikaner #“versuchte Vegewaltigung“#, der deutschen Sprache nicht mächtig, wurde als untherapierbar erklärt, weil er unter Aphasie (Sprachverlust) leidet. Nach einer bedingten Grundstrafe, verhängt vor ca. ca. 18 Jahren, bleibt er verwahrt und erhält keine therapeutische Hilfe für seine Aphasie, obwohl der Schreiber an seiner Statt die Verantwortlichen auf die Existenz entsprechender Therapieansätze und -Experten ‚ausserhalb‘ hingewiesen hatte.
2. betrifft des Schreibers Zwiebelallergie: Trotz entsprechender Empfehlung des JVA-Arztdienstes und einer herangezogenen Ernährungsberaterin scheint die JVA für dieses Problem keine halbwegs befriedigende Lösung zu ermöglichen. Entweder muss der Schreiber immer wieder auf häufig Zwiebeln enthaltende Beilagen wie Gemüse, Fleisch, Saucen etc. verzichten, oder er muss auf die sogenannte ‚leichte Kost‘ ausweichen, die regelmässig viel zuwenig Gemüse enthält, wovon der Schreiber aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme auf Drängen des Arztes gerade reichlich zu sich nehmen sollte. Dabei verbietet ihm aber die strikte durchgesetzte Hausordnung strikt jegliches Nachschöpfen aus dem (Gemüseteil des) Normalkostangebots, egal wieviel dann entsorgt werden muss.)

9.2. Gesundheitsversorgung bei psychisch Kranken

9.2.1. Internationale Vorgaben

177 „Personen mit einer psychischen Erkrankung sind gemäss den internationalen Vorgaben entweder in einer allgemeinen psychiatrischen Klinik oder in einer speziellen Einrichtung innerhalb des Justizvollzugssystems unterzubringen, die über eine Ausstattung und qualifiziertes Personal verfügt, um eine angemessene Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.“*
(Anm.d.Schreibers: Hier nochmals den Hinweis, dass es – jedenfalls im Kanton Zürich – auch für Langzeit- und verwahrte Gefangene nebst der „Deliktorientierten Therapie“ und der ausschliesslich psychopharmazeutischen Versorgung des PPD grundsätzlich keine therapeutischen Hilfen für jegliche anderen persönlichen psychischen Krankheiten oder Probleme der Gefangenen gibt.)
178 „Bei Personen mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung sollte die Einweisung in Einzelhaft verboten werden, wenn ihre Bedingungen dadurch verschlechtert würden.“*
179 „Der EGMR erachtet es als notwendig, dass Verwahrte aufgrund des möglicherweise unbegrenzten Freiheitsentzuges in besonderer Weise psychologische Betreuung und Unterstützung erhalten.“*
180 „Das CPT hält in seinen Standards fest, dass Langzeitinhaftierte über das ‚Institutionalisiert-werden‘ viele psychische Probleme – wie etwa den Verlust der Selbstachtung oder den Abbau sozialer Fertigkeiten – entwickeln können. Das Haftregime soll in positiver und proaktiver Weise anstreben, diese Auswirkungen auszugleichen.“*
S.58:

9.2.2. Situation in der Schweiz

181 “(Weil Verwahrte nach Art. 64 StGB als „nicht therapierbar“ gelten) sieht das Bundesrecht für (diese) keine Psychotherapien vor die auf Heilung und Resozialisierung ausgerichtet sind.“*

9.3. Gesundheitsversorgung bei körperlich behinderten Personen

9.3.1 Internationale Vorgaben

182 „(Die Behörden haben) bei Notwendigkeit besondere Vorrichtungen anzubringen um den Bedürfnissen dieser Personen gerecht zu werden, so dass diese ein möglichst normales Leben führen können und nicht von den übrigen Inhaftierten getrennt sind.“*

9.3.2. Situation in der Schweiz

183 „In den schweizerischen Rechtsgrundlagen zum Straf- und Massnahmenvollzug finden sich keine spezifischen Bestimmungen zu eingewiesenen Personen mit körperlicher Behinderung ( … )“
(Anm.d. Schreibers: Für Betagte und Kranke steht in der sogen. „Altersabteilung“ der JVA Pöschwies kein Pflegepersonal zur Verfügung und die Aufseher sind weder für Pflege ausgebildet noch zuständig. Zudem wird das nach Hausordnung geltende „Hifeverbot für Insassen untereinander“ auch
dort strikte durchgesetzt. Z.B. darf, unter Bussen-Androhung, etwa einem älteren, unter Gliederschmerzen leidenden Gefangenen, bei der Zellenreinigung oder anderen solchen Dingen, von einem empathischen fitteren Kollegen, ungeachtet einer allf. bekannten guten sozialen Kompetenz und auch eines ggf. als sehr gut bekannten Verhältnisses zwischen diesen nicht geholfen werden.)
S.59:

9.4. Gesundheitsfürsorge bei älteren Personen

9.4. 1. Internationale Vorgaben

184 „( … ) Das Haftregime soll besonderen Anforderungen an die Gesundheitsversorgung dieser besonders verletzlichen Gruppe von Inhaftierten Rechnung tragen“*( … )
185 „Durch die Bereitstellung von Diätmahlzeiten sollen ihre besonderen Ernährungsbedürfnisse Berücksichtigung finden .. „* ( … )

9.4.2. Situation in der Schweiz

186 „Bei älteren Personen im Verwahrungsvollzug auferlegen das Entgegenwirkungsprinzip und das Prinzip der Fürsorge dem Staat eine besondere Betreuungspflicht.* Diesem Anliegen kommt bei älteren Personen im Straf- und Massnahmenvollzug Vorrang vor Resozialisierungs- und Sicherungsinteressen zu.“*
S.60:

9.5. Gesundheitsversorgung bei unheilbar Kranken Personen und am Lebensende

9.5.1. Internationale Vorgaben

187 „( … ) Ein entsprechender Entschluss (z.B. Sterbehospiz oder Entlassung zwecks Ermöglichung würdevollen Sterbens) soll gestützt auf medizinische Gründe getroffen werden.“*

9.5.2. Situation in der Schweiz

188 „Art. 92 StGB erlaubt den Unterbruch des Vollzus von Strafen und Massnahmen ‚aus wichtigen Gründen‘. Im Falle eines 89-jährigen, krebskranken Täters mit einer Lebenserwartung von acht bis zehn Monaten, welcher zu einer 10-jährigen Freiheitsstrafe verurtelt wurde, erachtete das Bundesgericht in Abwägung der Schwere der begangenen Delikte und der erst zu einm kleinen Teil abgesessenen Freiheitsstrafe diese Voraussetzung als nicht erfüllt.*( … ) Bestimmungen, welche die allgemeinen Vorgaben des StGB konkretisieren, finden sich weder auf konkordats- noch auf kantonaler Ebene.“
189 „( … ) Auf parlamentarische Anfrage befand der Bundesrat, dass ( … ) die Beurteilung im Einzelfall einen Ermessensspielraum darstelle).“*

9.6. Fazit

190 „( … ) Das Recht auf Freiheit und Sicherheit von EMRK und UNO-Pakt II wie auch die entsprechenden Vorgaben der Verfassung verlangen ( … ) soweit zeitlich möglich die Entlassung (von sterbenden Inhaftierten)* oder zumindest ihre Verlegung in eine Pflegeeinrichtung ausserhalb des Vollzugskontextes.“
S.62:

10. Vollzugsort und Unterbringung

10. 1. Allgemeines

10. 1. 1. Internationale Vorgaben

191 „(Aus dem Recht auf menschenwürdige Haftbedingungen und aus den Nelson Mandela Rules geht nicht hervor) Ob die international geforderte Unterschiedlichkeit der Haftbedingungen im Straf- und im Verwahrungsvollzug eine Unterbringung in getrennten Abteilungen oder gar Anstalten erfordert ( … ).“

10. 1.2. Situation in der Schweiz

192 „Nach Art. 56 Abs. 5 StGB ordnet das Gericht eine Massnahme in der Regel nur dann an, wenn eine geeignete Einrichtung zur Verfügung steht. Die Bestimmung verlangt von den Gerichten, die Ausgestaltung, Tragweite und Realisierbarkeit einer anzuordnenden Massnahme zu kennen und über die Anordnung entsprechend zu entscheiden.“*
193 „In seiner Botschaft zur Revision des Allgemeinen Teils des StGB befand der Bundesrat, die Unterbringung in einer Strafanstalt komme nur bei einer Verwahrung von schuldfähigen, psychisch gesunden Straftätern in Frage.“
S.64:
194 „Das Ostschweizer Konkordat betont, der Vollzug der Verwahrung sei durch möglichst grosse Freiheit innerhalb der Vollzugseinrichtung menschenwürdig zu gestalten ( … ). Es bedürfe daher nicht für jede verwahrte Person den Sicherheitsstandard einer geschlossenen Strafanstalt.“*
195 „In der Praxis werden ( … ) heute Verwahrte in aller Regel und zunehmend in geschlossene Institutionen meist des Straf- und ausnahmsweise des Massnahmevollzugs eingewiesen.“
S.65:

10.2. Besondere Einrichtungen für ältere Inhaftierte?

196 „Ältere Personen bedürfen oft nicht mehr des gleichen Sicherheitsstandards wie bei ihrer Inhaftierung. Damit die Vollzugsmodalitäten angemessen sind, sollte dies Berücksichtigung finden.“*
197 „Da auch den weiteren Bedürfnissen Rechnung zu tragen ist, ist die Bereitstellung von spezialisierten Vollzugseinrichtungen in Erwägung zu ziehen.“
S.66:
198 „Art. 80 Abs. 1 lit.a StGB erlaubt, dass zugunsten der eingewiesenen Person von den üblichen Vollzugsbestimmungen abgewichen werden kann, wenn dies deren Gesundheitszustand verlangt.“*
199 „Im Jahr 2015 erarbeitete ein Projektteam zuhanden des Amts für Justizvollzug des Kantons Zürich das Positionspapier ‚Alt werden im Justizvollzug’*. Darin wird vorgebracht, dass bei älteren Eingewiesenen mangels Gefährlichkeit oder Fluchtgefahr der Vollzugsalltag nicht mehr primär von Sicherungsgedanken geleitet werden muss, … “
200 „Die Projektgruppe bringt weiter vor, die Zellen älterer Eingewiesener sollten eine Grundfläche von mindestens 15 Quadratmetern aufweisen, rollator- bzw. rollstuhlgängig sein, zumindest teilweise die Installation eines Pflegebetts erlauben und seien grundsätzlich tagsüber nicht abzuschliessen. ( … ) „*

10.3. Besondere Einrichtungen für Langzeitinhaftierte?

201 “Auf Bundesebene erlaubt Art. 377 Abs.2 lit.c StGB den Kantonen die Errichtung von Abteilungen für besondere Gefangenengruppen, und damit auch für Gefangene mit sehr langen Strafen. Soweit ersichtlich bestehen zurzeit aber schweizweit keine derartigen Einrichtungen.“

10.4. Besondere Einrichtungen für Verwahrte Personen?

202 „Der UNO-Menschenrechtsausschuss hält in seinen allgemeinen Bemerkungen zu Art. 9 UNO-Pakt II fest, die Haftbedingungen hätten sich bei einer Verwahrung ( … ) von derjenigen des Strafvollzugs zu unterscheiden.* Er äusserst sich dabei aber nicht dazu, ob dies z.B. auch die baulichen Massnahmen betreffen müsse oder ob etwa gar spezielle Einrichtungen für verwahrte Personen zu schaffen wären.“
203, die Planung von speziellen, je nach Gefährdungspotenzial gesicherten Abteilungen für verwahrte Personen sei ‚rechtzeitig anzugehen‘. ( … )* Begründet wird dies damit, dass es fraglich sei, ob die zurzeit vielerorts ‚aus Opportunitätsgründen erfolgte Gleichbehandlung‘ von verwahrten Personen mit Strafgefangenen rechtsstaatlichen Grundsätzen genüge.“
204 „Auch eine Empfehlung des Ostschweizer Konkordats fordert, den Verwahrungsvollzug ( … ) durch Einräumung möglichst grosser Freiheit menschenwürdig zu gestalten.“*
S.67:
205 „Auch diese Forderung lässt sich wohl einzig mittels Errichtung besonderer Einrichtungen fUr Verwahrte in die Realität umsetzen. Bis heute existieren in der Schweiz indes keine besonderen Abteilungen für Verwahrte. ( … )“

10.5. Fazit

206 „(Es wird sich) ein menschenrechtlich gefordertes freiheitlicheres Regime nur mit grossen praktischen Schwierigkeiten innerhalb einer Abteilung des Strafvollzugs führen lassen.“
207 „Die Schaffung gesonderter Abteilungen oder Anstalten für den Verwahrungsvollzug ist daher angezeigt. Eine Aufnahme in Institutionen für diese Klientel, sollte aber nur freiwillig erfolgen.“


Schlussbemerkungen des Schreibers:

Nach einem der sogen. ‚Katalogdelikte‘ Verurteilte – umfassend u.a. eine Reihe von Gewalt- und Sexualdelikten und letztlich auch „alle Delikte welche mit einer Höchststrafe von fünf Jahren oder mehr bedroht sind“ – gelten grundsätzlich als „gemeingefährlich“. Liegt dann ein Gutachten vor, welches die angeklagte Person als „untherapierbar“ einstuft und spricht der Richter nebst einer Grundstrafe die Verwahrung nach Art. 64 StGB aus – wobei dies auch nach einer um sehr viel kürzeren als die gesetzlich für das Delikt vorgesehenen Höchststrafe möglich ist – dann sind für sie die Chancen,
noch zu Lebzeiten aus dieser Verwahrung entlassen zu werden, äusserst gering, es sei denn, es gelingt dem oder der Verwahrten im Verlaufe der Zeit, sich doch noch als therapierfähig und -willig zu erweisen und eine Umwandlung in eine geschlossene therapeutische Massnahme nach Art. 59. StGB zu erkämpfen.
Stritt eine solche Person jedoch bis zuletzt, also bis zur Rechtskraft des Urteils eine Schuld am ihr oder an den ihr zur Last gelegten Delikt(en) ab und bleibt dabei, wird sich diese Möglichkeit ihr wohl definitiv verschliessen, es sei denn, ein neuer Beweis taucht auf und es käme zu einem Revisionsverfahren. Dazu darf „der Beweis dem Gericht seinerzeit nicht bekannt gewesen sein und er muss geeignet sein, zu einem Freispruch oder einer deutlich geringeren Strafe zu fuhren“. Eine Revision wird, im Kanton Zürich zumindest, jedoch nur äusserst selten zugelassen und es sind kaum Fälle bekannt, bei denen eine Person so letztlich doch noch zu einem Freispruch kam und wohl noch nie gelang dies einer verwahrten Person.
Bei gewissen Delikten wie Sexualdelikten durften nach Meinung des Schreibers Fehlurteile nicht so selten sein, wie man glauben möchte. Denn:
Angesichts
– des reinen Empfehlungscharakters von Gerichtsgutachten,
– der sich regelmässig „zwingend an die Expertenmeinung gebunden“ erklärenden Richter,
– der seit den 90er Jahren immer lauter werdenden populistischen Forderungen nach immer mehr Härte im Straf- und insbesondere auch im Massnahmenvollzug, sowie
– dem weitgehnden Fehlen von Geschworenengerichten wie auch eines schweizerischen Verfassungsgerichts
will bei der Verwahrung kaum ein Gerichtsgutachter oder eine Gerichtsgutachterin noch Verantwortung für eine günstige Prognose oder auch kaum ein Richter noch Verantwortung für unpopuläre Entscheide übernehmen.
Es kommt zunehmend zu ‚false-positive‘-Beurteilungen, aber auch vermehrt zu Fehlurteilen. Wie Viele dabei Opfer einer solchen psychiatrischen ‚false-positiv‘-Beurteilung wurden, also in Tat und Wahrheit eben nicht als „gefährlich“ gelten sollten, wie Viele tatsächlich entgegen ihrer Einstufung sehr wohl therapiebeduftig, -fähig und -willig sind, und letztlich wie viele kategorisch nicht-Geständige tatsächlich Opfer eines Fehlurteils
sind und dennoch oder gerade deswegen höchstwahrscheinlich in Strafanstalten den Rest ihres Lebens fristen; darüber weiss man nichts.

Und nichts dürfte sich daran ändern, solange wie Verwahrungsüberprüfungen irmmer wieder kaum mehr als Alibiübungen bleiben,
– solange wie die populistische Hetze gegen Ausgegrenzte und im Besonderen gegen Verwahrte weitergeht,
– solange wie vertiefte Untersuchungen über die genauen Umstände, die jeweils im Einzelfall zu einer solchen Verwahrung führten, ausbleiben,
– solange wie einige Populistlnnen dem Volk eine „100%-ige Sicherheit“ als erstrebenswert predigen, und solange wie die Gesellschaft weiterhin im Glauben gelassen wird, die – eigentlich als „ultima ratio-Massnahme“ geltende – Verwahrung würde zweifellos nur dann verhängt, wenn ihr die wirklich allerschlimmsten Verbrechen zugrunde lägen (was so bei Weitem nicht inmer die Realität widerspiegelt) und die Gemeingefährlichkeit des Individuums sei in solchen Fällen mit Sicherheit immer über jeden Zweifel erhaben und es läge dem Urteil eine garantiert unfehlbare Begutachtung zugrunde.
Solange wird es wohl weiterhin zu Fehlbeurteilungen und Fehlurteilen kommen und für die obigen Fragen auch keine Antworten geben können.
Inzwischen wurden hierzulande schon Rufe von solchen Politikerinnen nach strafrechtlicher Verfolgung von Richtern laut, wenn ein solcher einer verwahrten Person Haftlockerungen gewährte und es daraufhin trotz guten Prognosen irgendwann zu einem Rückfall kam. Was wohl, sollte ein solches Unterfangen Realität werden, den Anfang vom Ende der Rechtsstaatlichkeit hierzulande bedeuten würde.
Noch besteht Hoffnung, dass es endlich zu Anpassungen in unserem Strafrecht an die von internationalen Institutionen vorgeschriebenen menschenrechtlichen Mindeststandards kormnen wird, denn auch die Schweiz hat sich diesen vertraglich verpflichtet. Es wäre höchste Zeit, auch angesichts eines doch schon erkennbar erodierenden Rufes unseres Landes auf dem internationalen Parkett. Der Ruf eines Landes misst sich bekanntlich nicht zuletzt daran, wie es mit seinen schwächsten Bewohnern umgeht).