Bulletin 7

June 1, 2013

Endlich können wir wieder ein Bulletin herausgeben. Um es in dieser Form zu erstellen, waren wir – angesichts der in letzter Zeit immer rigoroseren Einschränkungen hier in der JVA Pöschwies – mehr den je auf die Hilfe von Dritten angewiesen. So entstand schliesslich, nach langem und kompliziertem Hin und Her, die vorliegende Ausgabe, das Bulletin Nr. 7.
Erst kürzlich hat der bisherige, für die Verschlechterung der Haftbedingungen, insbesondere für das unsägliche Hilfeverbot hauptverantwortliche Vollzugschef, Dr. Noll, seinen Dienst quittiert. Eine Frau ersetzt ihn ab 1. Juni. Wir wünschen ihr einen guten Start und hoffen auf wieder mehr Fingerspitzengefühl und Pealitätssinn bei ihr.
Zuletzt haben Sie im März mit einem Rundbrief unsere Vernehmlassung zum Gesetzesentwurf für die Rehabilitierung administrativ versorgter Menschen erhalten. Inzwischen fand in Bern der Gedenkanlass statt, bei welchem unter Anderem Bundesrätin Simonetta Sommaruga um Entschuldigung bat für das den Betroffenen früher angetane Unrecht. Und wir gehen davon aus, dass nicht wenige, heute (wieder) auf unbestimmte Zeit Inhaftierte, diese Entwicklung aufgrund eigener Erfahrungen in ihrer Kindhiet oder Jugend mit Interesse verfolgen. Wir drucken in diesem Bulletin darum auch die wichtigsten Auszüge des seither getätigten IG „Fairwahrt?“-Briefverkehrs zu diesem Thema ab.
Unsere Interessengemeinschaft ist inzwischen zwei Jahre alt. Zu diesem Anlass habe ich nun die bei mir vorhandenen Medien-Ausschnitte und Notizen durchstöbert und eine Auswahl von Auszügen, Zitaten und auch einige Anmerkungen zusammengestellt. Ihr findet diese unter dem Titel „Medien-Spotlights“.
Viele dieser Artikel sind mir in den vergangenen Jahren von Mitgefangenen, vor allem Teilnehmenden unserer Interessengemeinschaft zugetragen oder gesandt worden. Dafür möchte ich diesen an dieser Stelle danken
Mit freundlichen Grüssen, Ihr Beat Meier

-> Homepage und Facebook
-> Wiederbelebung und Neugestaltung
-> MedienSpotlights
-> Auszüge, Zitate, Abrisse aus gesammelten Zeitungsartikeln und anderen öffentlichen Beiträgen
-> Versorgt und vergessen
-> Heutige Parallelen zu früheren administrativen Zwangsmassnahmen. Briefauszüge rund um den Gedenkanlass vom 11. April 2013 in Bern

Liebe Leserinnen und Leser

Und wieder geschieht ein grausamer Mord, bei dem eine junge Frau, noch kaum erwachsen, entführt, gepeinigt und getötet wurde. Es ist nicht ein Mord wie so viele andere, wie leider fast täglich allenthalben, von denen man meist nur wenig erfährt (obwohl diese für die Opfer und deren Hinterbliebenen wohl kaum minder tragisch sind). Nein, es geschah wieder ein Verbrechen, das die Menschen sehr viel heftiger aufwühlt, als die meisten solchen Gräueltaten uns von der IG „Fairwahrt?“ genauso sehr. Well der Tatverdächtige ein vorzeitig freigelassener Straftäter ist, der schon einmal mordete. Unter Hausarrest zwar, aber ohne Schloss und Riegel. Mit elektronischer Fussfessel, aber ohne GPS. Unter Schutzaufsicht zudem, welche denn auch rechtzeitig Alarm schlug, als der Mann seinen nächsten Mord ankündigte, die aber letztlich doch ignoriert wurde.
Wir von der IG „Fairwahrt?“ sind zutiefst betroffen, entsetzt und traurig ob diesen offenbar einmal mehr vermeidbaren Geschehnissen. Ein abscheulicher Mord, der sich einreiht in die, zwar seltenen, aber umso schändlicheren Kapitalverbrechen der Vergangenheit, welche ebensolche Schlagzeilen machten. Und bei denen auch wir in aller Entschiedenheit bedauern müssen, dass damals, wie auch bei diesem jüngsten Fall, jeweils beim ursprünglichen Urteil keine sichernde Massnahme an die Strafe angehängt worden war. So etwa vor 20 Jahren, als die heutige „Nul-lRisiko-Welle“ ihren Anfang nahm, nachdem ein Gefangener auf Urlaub am Zollikerberg ebenso brutal eine junge Frau tötete. Schon damals hätten, wie jedermann, auch wir uns gewünscht, dass der keinen Urlaub bekommen hätte.
Der nach solchen Schlagzeilen regelmässig folgende Schrei nach noch mehr Härte im Strafund Massnahme vollzug, noch restriktivere Haftbedingungen; was grossmehrheitlich ohnehin die Falschen triff, wird an der Mordstatistik kaum etwas ändern. Denn Fehler bei Ämtern oder Justizund Vollzugsbehörden wird es immer wieder geben. Schon heute kommt kaum mehr einer von uns Massnahmegefangenen mehr frei, da werden für uns faktisch längst schon gleiche Kriterien angewandt wie für die sogenannt „Lebenslang Verwahrten“ nach der Volksinitiative. Das trifft uns alle, egal ob zu Gewalt neigend oder seit jeher friedliebend! So aufwühlend und brutal sie auch waren; die wenigen, meist von Strafgefangenen auf Urlaub oder vorzeitiger Entlassung begangenen Kapitalverbrechen, machen dennoch einen kleinen Bruchteil aller Morde und Tötungen aus, die fast tagtäglich von ‚unbescholtenen‘ und oft unauffälligen Menschen in Freiheit begangen werden.
Wir fragen uns, ob die seit nunmehr an die 20 Jahren (wieder) herrschende Wegsperr-Mentalität die Gesellschaft sicherer gemacht hat? Früher versuchte man, bei einem Mörder dessen allenfalls kranke Seele zu heilen und ihn langsam aber sicher auf die Resozialisierung vorzubereiten. Heute wirft man immer öfter den Schlüssel gleich weg und das bei immer trivialeren AnlassStraftaten! Und man nimmt dafür in Kauf, dass solch nicht viel minder gnadenloses Verhalten Schule macht bei immer mehr labilen, haltlosen Menschen mitten in der, freien‘ Gesellschaft.
Man weiss doch längst: Je härter die Justiz und deren Sanktionen, desto höher und brutaler die Kriminalitätsrate im Lande. Siehe USA.
Nur eine Diktatur wie NordKorea hat wirklich wenig Kriminalität. Und aber riesige, randvolle Gefängnisanlagen. Denn dort ist jeder Zweite ein Staatsspitzel…
Ich finde, es wäre Zeit, dass wir uns wieder auf wahre menschliche Werte zurückbesinnen!
Ihr Beat Meier


DIVERSES

Homepage:
Unsere seit vergangenem Sommer ‚verwaiste‘ Homepage (www.verwahrung.ch) (www.fair-wahrt.ch) ist seit Ostern 2013 wieder bedient!
Ein persönlicher Bekannter, seines Zeichens pensionierter diplomierter Psychotherapeut mit jahrzehntelanger Erfahrung aus eigener Praxis, hat sich inzwischen für den ‚Job‘ bereit erklärt. Er hat die Seiten neu gestaltet, dabei auch etwas übersichtlicher gemacht und das eine und andere gestrafft. So ist auch der Blog verschwunden, denn dieser war recht dürftig genutzt worden – die meisten guten Einträge stammten vom früheren Webmaster „Fuchur“.

Facebook:
Gleichzeitig blieb lange Zeit auch unsere Seite auf Facebook (,’Fair Wahrt“) ohne Webmaster, da diese auch von „Fuchur“ (erstellt und) betreut worden war.
Die Präsidentin unseres FV hat nun zugesagt, zusammen mit ihrem Mann sich sporadisch als Betreiber des FacebookKontos zu engagieren.
Die Seite soll vor allem dazu dienen, die ganzen Probleme heutzutage rund um die ‚,Wegsperr-Mentalität“ und die „politische Stimmungslage“ etc. im Zusammenhang mit Verwahrung, stationären Massnahmen und auch sonst jeder Form von Einsperrungen ohne ‚Verfalldatum‘ für ein möglichst breites Publikum anschaulich auszuleuchten: Aufklärung mittels kurzen, prägnanten Wahrheiten von hinter den Kulissen, von Aspekten, welche so öffentlich sonst nicht oder kaum zur Kenntnis gelangen, usw., den Klischees vom „blutrünstigen Monster“, das sich „sicherlich doch“ hinter der Fassade eines jeden Verwahrten verberge (,“sonst würde einer ja nicht verwahrt“), der Meinung, nur „grausamste Mörder oder brutalste Vergewaltiger und dergleichen“ würden verwahrt, mit Fakten entgegentreten. Insbesondere soll aufgezeigt werden, dass Verwahrung menschenrechtswidrig in Wahrheit in den meisten Fällen als übergangslose endlose Verlängerung einer Gefängnisstrafe vollzogen wird.
Ab demnächst also auf der FacebookSeite ‚Fair Wahrt“: Regelmässige Kurzeinträge unter dem Titel: „Wussten Sie, dass…?“, und anderes mehr.

EMRG:
Ein Teilnehmer, der anfangs 2011 beim Europäischen Menschenrechtsgericht gegen seine Verwahrung klagte, wartet gemäss letzten Informationen immer noch auf Bescheid über die Zulassung seiner Klage. Das EMRG wird vor allem aus östlichen Mitgliedstaaten, insbesondere Russland, mit Klagen überschwemmt. Laut einem damaligen Bericht im Tages-Anzeiger (siehe auch hierin unter Medien-Spotlights/EMRK) waren Anfang 2010 schon 120’OOO Beschwerden beim EMRG hängig.

Rechtshilfe:
Unser Anwalt, der uns punktuelle Unterstützung zugesagt hat, konnte bisher zwar noch keine abschliessende Erfolge für uns erzielen, jedoch wäre dies in der Zeit auch noch nicht möglich gewesen bei der heutigen politischen Stimmungslage und dem trägen Instanzenweg.
Immerhin sind die bereits laufenden Verfahren auf gutem Weg – jenes bezüglich Arbeitspflichtenthebung für Pensionierte in Haft ist derzeit beim Bundesgericht hängig.
Leider müssen wir feststellen, dass es immer schwieriger wird, einen auf dem Gebiet von Massnahmen und Verwahrung spezialisierten Anwalt zu finden. Nicht nur RA B. Rambert ist überlastet, auch jener RA, welcher uns vor einem Jahr eine erste unverbindliche lnteressensbekundung abgab hinsichtlich der Einleitung eines Verfahrens zwecks „Einforderung von echten Perspektiven für Verwahrte“. Ich hatte damals dazu mit einem rosa Formular eingeladen, sich soweit möglich mittels noch unverbindlichen Zusagen zu monatlichen Beiträgen an den Kosten für ein solches Unterfangen zu beteiligen.
Von den sieben Zusagen, die eintrafen, stammten die meisten aus der JVA Pöschwies. Es stellte sich dann aber bald heraus, dass entsprechende Beiträge, wäre es denn überhaupt zur definitiven Zusage seitens des Rechtsanwaltes gekommen, von uns Gefangenen kaum hätten geleistet werden können. Dies weil die hiesige Leitung seither (ohne Vorankündigung!) die bisherige Bewilligungs-Praxis bezüglich Überweisungen vom Gefangenen-Sperrkonto an Anwälte grundsätzlich änderte: Sie verbietet es glattweg und lässt solche Zahlungen nur noch vom Freikonto zu. Wir finden, dass dies eine sehr fragwürdige Einschränkung der Verteidigungsrechte darstellt und versuchen, uns dagegen zu wehren, zumal viele Gefangene mehr als genug auf dem Sperrkonto haben. Tatsache ist, dass bei den mageren Arbeitsvergütungen, in der JVA Pöschwies zumindest, die wenigsten mit ihrem Freikonto ‚auf einen grünen Zweig‘ kommen können, auch bei fleissiger Vollzeitarbeit nicht.
Gleichzeitig ist indes die Arbeitslast des RA für seine schon bestehenden Mandanten dermassen angewachsen, dass er mir kürzlich eine Absage erteilen musste: Er könne aus Kapazitätsgründen schlichtweg keine Mandate von Insassen in schon bestehender Verwahrungs oder Massnahmehaft mehr annehmen.
Wir suchen indes weiter nach Unterstützung für unsere legitimen Anliegen!

INTERNE INFORMATIONEN
Spenden:
Bekanntlich musste unser Anfang 2012 gegründeter Förderverein, kurz nachdem er für unseren Bedarf ein eigenes Konto bei der Raiffeisenbank eröffnet hatte, sich schon wieder um ein neues Konto kümmern. Hetzerische und diffamierende Artikel in der Boulevardpresse hatten die Raiffeisengruppe dazu veranlasst, das Konto zu kündigen.
Am 20. Juni 2012 konnte, mit Einlage des Saldos vom Raiffeìsen-Bankkonto über Fr. 2106.35, unser neues, definitives Konto eröffnet werden.
Es ist ein Postbankkonto und weist aktuell einen Stand von Fr. l’836.02 auf.
Seit unserem letzten Bulletin, der Nr. 6, sind folgende weiteren Spenden eingegangen:
Mai 2012: Fr. 100-. von einem Gönner Fr. 20-. von einem Teilnehmer in Freiheit Fr. 50-. von einer Gönnerin Fr. 100-. von einem Vorstandsmitglied des FV. Fr. 100.- von einer Gönnerin (Angehörige eines Teilnehmers) Fr. 100.- von einer Aktivistin Amnesty Intern. Juni 2012: Fr. 100.- von einer Gönnerin (Angehörige eines Teilnehmers) Fr. 71.09 von einem Gefangenenseelsorger in Österreich, Fr. 20.15 von einem Gönner in Deutschland, Fr. 100.- von einer Gönnerin (Psychotherapeutin eines Teilnehmers) [Überweisung des bisherigen Spendensaldos auf das neue Postkonto des Fördervereins (FV)] Juli 2012: Fr. 50.- von einer Gönnerin (Psychotherapeutin eines Teilnehmers), September 2012: Fr. 500.- von einer persönlichen Bekannten Fr. 250.- von einer Gönnerin („Uriella“) Fr. 17.97 von einem Gefangenenseelsorger in Österreich, Fr. 50. von einem Teilnehmer, Oktober 2012: Fr. 119.64 von einem Gönner in Deutschland Fr. 20.34 von einem Gönner in Deutschland, November 2012: Fr. 250. von einer Gönnerin (,’Uriella“) Fr. 20.27 von einem Gönner in Deutschland Fr. 100. von einer persönlichen Bekannten Januar 2013: Fr. 20.31 von einem Gönner in Deutschland Fr. 200-. von einer persönlichen Bekannten, März 2013: Fr. 20.74 von einem Gönner in Deutschland, April 2013: Fr. 400-. vom Schweizersichen Verein für Gefangenenseelsorger
Wir danken den Spenderinnen und Spendern hiermit ganz herzlich – ohne Ihre Hilfe könnten wir uns die Unkosten unserer Interessengemeinschaft nicht leisten! Ihr Geld wird respekt- und verantwortungsvoll eingesetzt!

MEDIEN SPOTLIGHTS

Auszüge, Zitate, Abrisse (und einige Anmerkungen, Hervorhebungen durch BM)

Gerichtsgutachter und Vollzugspsychiatrie Mutation zu ‚Richtern‘ und ‚Vollziehern‘ in Weiss
[TagesAnzeiger online 23.09.2008]

Top-Gutachter an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich war IV-Arzt (Leiter des Regionalärztlichen Dienstes der IV Zürich) und Psychiater. Als solcher untersuchte er Gewalt- und Sexualstraftäter fürs Gericht und gab seine Meinung zu deren Strafvollzug. Nun kam aus: Dr. Dr. Arnulf M. war bis 2005 Funktionär bei der rechtsextremen deutschen NPD. Die IV-Stelle überprüft nun bis 200 Verfahren, zu denen Arnulf M. Empfehlungen lieferte.
Werden seine Ratschläge zum Strafvollzug überarbeitet?
Er war ja Gerichtsgutachter und Mitglied der Fachkommission. „Das kann ich mir kaum vorstellen“, sagt Florian Funk vom Amt für Justizvollzug. Noch unklar ist, um wie viele Gutachten und Straftäter es geht. (Zuviel Aufwand für ev. zu Unrecht vielleicht bis an ihre Lebensende Verwahrte? BM).

OnlineKommentar: Das Amt für Justizvollzug und Psychiatrische Universitätskliniken massen sich in Gutachten an, erkennen zu können, ob eine Person bestimmte Kriterien fir eine mentale Krankheit oder Störung erfüllt, schaffen es aber gleichzeitig nicht, eigene (Kader)-Mitarbeiter, die bei der Einstellung evaluiert werden und die man über Jahre kennt und beurteilen können müsste, als Problemfälle zu erkennen. Fachkollegen schaffen das ebenso wenig. Man kann daraus eigentlich nur den Schluss ziehen, dass Psychiatrie eher Vodoo als Wissenschaft ist und richtige Diagnosen Glücksache sind. (Heinz Moli)
[Beobachter 24/2008]
„Gutachter, die Karriere machen wollen, dienen sich den Behörden an.“ (Peter Zihlmann, eh. Richter und Anwalt).
‚Wes Brot ich ess, des Lied ich sing‘ „Diese Gefahr besteht.“ (Volker Dittmann, leitender Arzt P1.JK Basel)
[Beobachter 24/2008]
Ein grosser Teil der Gerichtsgutachten wird nicht von qualifizierten Spezialisten erstellt. (Volker Dittmann, Chefarzt PUK Basel)
[NZZ 24.11.2009]

Gastbeitrag von PD Dr. med. Mario Gmür:
Der heute im Kanton Zürich praktizierte gerichtspsychiatrische Umgang mit gefährlichen Gewalttätern verspricht Erfolge, die nicht erzielt werden können. Gleichzeitig verletzen die neuen Therapiemethoden medizinische Leitlinien, die auch fir Strafgefangene gelten. (…) In einem Rechtsstaat und in einer
humanisierten Gesellschaft darf die Psychiatrie weder Vorreiter noch Handlanger eines Justizfanatismus sein.
(Unter dem Subtitel: Grassierender Hochmut) Die Entwicklung der Psychiatrie seit Beginn der 1990er Jahre war eine eigentliche Kulturrevolution, in deren Zuge persönlichkeitsgeschichtlich therapeutische, durch ausschliesslich deliktorientierte Methoden ersetzt worden sind, die erklärtermassen auf die Befindlichkeit des Patienten keine Rücksicht nehmen. Voreilig als Sensation präsentierte Erfolgsmitteilungen über die kostenintensiven Behandlungen im Zücher PPD passen ins Bild des grassierenden Hochmuts. Bei näherer Kenntnis der von Urbaniok verwendeten Methodik erweist sie sich als höchst zweifelhaft.
Die sogenannte „kleine Verwahrung“, wie die stationäre Behandlung neuerdings genannt wird, löst zudem ernsthafte Zweifel aus betreffend der Einhaltung medizinethischer Leitlinien, die bei Häftlingen ebenso zu beachten sind wie bei anderen Patienten. Sie läuft Gefahr, (…) zu einer sadistischen Seelenmanipulation im Schraubstock des Strafvollzugs zu entarten. (…)
Repression hat in der Psychiatrie und Psychotherapie, abgesehen vom fürsorgerischen Freiheitsentzug zum Schutze psychisch Kranker gegen Selbst und Fremdgefährdung, nichts zu suchen…

[TagesAnzeiger online 20.01.2010]
Eine Studie des Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes (PPD) Zürich präsentiert „erstaunlich tiefe Rückfallraten“: Nur 12% der Gewalt und Sexualstraftäter seien rückfällig geworden. Man wisse aber, dass die Gefahr eines Rückfalls steigt, je länger ein Entlassener in Freiheit ist. Darum warnt PPD-Chef Frank Urbaniok vor Euphorie.
(Er tut gut daran. „Die untersuchten Straftäter bewegten sich [mindestens teilweise] während fünf Jahren in Freiheit.“ sagt Jérôme Endrass, Leiter der Abteilung ‚Evaluation und Qualitätssicherung‘ beim PPD. Angesichts der extrem kleinen Zahl von aus einer Verwahrungsmassnahme Entlassenen während diesen fünf Jahren beruft sich die Studie wahrscheinlich vor allem auf ohnehin in Freiheit lebende Täter mit einer ambulanten Massnahme, also von Anfang an nicht als hochgefährlich eingestufte Probanden. Und das ,mindestens teilweise‘ in Klammern weist daraufhin, dass auch jene miteinbezogen wurden, welche nach wie vor im geschlossenen Vollzug sind, aber schon gelegentlich von einem sogenannten therapeutischen begleiteten Ausgang von ein paar Stunden profilierten BM).

[TagesAnzeiger Leserseite (Okt. 2010)]
Das von Frank Urbaniok marktschreierisch präsentierte Prognose-Instrument ‚Fotres‘ ist wissenschaftlich nicht gut abgestützt. Es täuscht hohe prognostische Treffsicherheit vor, erfüllt diesen Anspruch aber nicht besser als die klinische und intuitive Beurteilung erfahrener Psychiater und Justizbeamter. Es passt gut in die Landschaft einer (…) totalitären Psychiatrie mit zunehmender Verluderung psychiatrieethischer und rechtsstaatlicher Grundsätze.
(PD Dr. med. Mario Gmür)

Weitere Aussagen derselben Leserseite:
„Urbanioks wahrer Erfolg ist seine ausgezeichnete Medienarbeit.“
„Mir fehlen die positiven Ergebnisse seiner Therapieprojekte für Gewalt und Sexualstraftäter, sie kosten aber Millionen. Und dabei werden zum Teil immer noch die gleichen Straftäter therapiert. Die fantastische Rückfallquotenreduktion beruht darauf, dass kaum noch jemand entlassen wird“
„Ein Einbezug der Anstalts-Werkmeister und Aufseher wäre bedeutend billiger.“

[Der Sonntag 38/2011]
Die Bestandesaufnahme (unter dem Titel „Psychiatrie und Ethik“ in der Schw. Ärztezeitung über ‚Star-Psychiater‘ Frank Urbanioks Therapiemethoden) ist vernichtend: Dr. med. Mario Gmür verurteilt diese scharf In den Therapien mit Häftlingen gäbe es Drohungen, Herabsetzungen, Beleidigungen, Drangsalierungen, zermürbende, an Gehirnwäsche grenzende Stereotypen. Patienten und Angehörige schwiegen aus Angst vor Repressalien. Der Weg führe in ein rechtsstaatliches Debakel.
Gmür ist Privatdozent an der Universität Zürich und mit mehr als 400 Gerichtsgutachten eine Kapazität.
Abteilungsleiter Endrass wird von Urbaniok zur Stellungsnahme beauftragt: „Den Missbrauch, wie er da beschrieben und vermutet wird, können wir nicht feststellen.“ Es werde niemand gezwungen, sich auf eine Therapie einzulassen. (Es droht bei Weigerung ,nur‘ die Verwahrung hinter Gittern, möglicherweise bis zum Tod BM).

[Schweizerische Ärztezeitung ;92: 37]
Die forensische Psychiatrie hat sich in den Letzten Jahren immer mehr von psychiatrischen Maximen entfernt. Für die Psychotherapie von verurteilten Delinquenten gelten dieselben ethischen Gebote wie für andere Patienten. Eine ethikkonforme forensische Psychiatrie kann extreme Erwartungen an die Sicherheit und Restrisiko nicht erfüllen (PD Dr. med. Mario Gmür).

[Emma Herbst 2011]
Emma: Bei Dominique StraussKahn aber auch im Fall Kachelmann wurden die Aussagen der Frauen in Zweifel gezogen. Was halten sie davon?
Chefarzt PPD Zürich Frank Urbaniok: Es gibt das Phänomen der Falschanschuldigungen. Viel häufiger ist jedoch, dass wirklich etwas vorgefallen ist, das aber nicht bewiesen werden kann.
(Eine interessante, aufschlussreiche Antwort von einem forensischen Chefpsychiater. Urbaniok ‚weiss‘ hier Dinge, die nicht bewiesen sind. Ähnlich wie er ‚weiss‘, ob ein Gefangener irgendwann rückfällig wird oder nicht BM).

[Der Sonntag online 18.12.2011]
Kommentar zum Artikel „Gefangene Liebe der Fall Mansour“ vom eh. Richter und Anwalt Dr. Peter Zihlmann:
(…) Die Frage nach dem Restrisiko, die Frage, welche Gefahr von einem Menschen in Zukunft ausgehen mag, verdrängt die wichtigste Frage: Wo bleibt das Grundrecht auf Freiheit und Unversehrtheit der Persönlichkeit? Über derart willkürlichen Freiheitsentzug lässt sich sachlich nicht mehr diskutieren. Psychiater, die sich von solchen Massnahmen nicht distanzieren, machen sich an dem Verbrechen der Freiheitsberaubung mitschuldig.

[TagesAnzeiger 24.01.2013]
Volkshochschule fürchtete „Sicherheitsrisiko“: Ein auf den 5. Februar angekündigter Vortrag von PPD-Chef Frank Urbaniok zum Thema „Jeder Mensch ein potentieller Mörder?“ wurde kurzfristig vorverschoben ohne öffentliche Bekanntgabe. Grund: Die linke Organisation Revolutionärer Aufbau hatte ihren Besuch angekündigt.

[WOZ 21.02.2013]
Bei der Anzahl Psychologinnen und Psychoanalytikern ist Zürich Weltspitze.

[TagesAnzeiger 19.04.2013] Gastbeitrag von Prof. Daniel Hell
Die unter psychiatrischen Experten nicht seltene Kritik, die Psychiatrie befinde sich (hierzulande) im Würgegriff der Pharmaindustrie (…) wird von mir weitgehend geteilt. Manche Pharmafirmen haben nicht davor zurückgeschreckt, durch gezielte Fehlinformationen ihren Marktanteil zu vergrössern und ungünstige Ergebnisse von Pharmastudien unter Verschluss zu halten. (Tatsache ist, dass in der JVA Pöschwies Gefangene, wenn sie sich weigern, ein verschriebenes Psychopharmaka einzunehmen, diszipliniert werden, was meist einen Aufenthalt im ‚Bunker ’nach sich zieht BM).

[TagesAnzeiger 23.05.2013]
Aus Gastartikel von Zürcher PPDChef Frank Urbaniok:
„Nur wenn man das Risiko kennt, kann man abschätzen, welche Massnahmen im konkreten Fall passend sind.“
(Man ‚kennt‘ viele Risiken; Auto oder Badeunfall, Feuertod, Herzinfarkt, atomarer Supergau… Wenn überhaupt, dann sollte man viel eher noch als bei den ‚passenden Massnahmen‘ gerade hier bestenfalls von einer „Schätzung“ sprechen BM).
„Wahrscheinlichkeitsaussagen (über die Gefährlichkeit bzw. Rückfallgefahr sind (…) sehr zuverlässig.“
(‚Zur Erinnerung: Die weitaus meisten Gefährlichkeitsprognosen stellten sich bei verschiedenen Grossraumstudien als falsch heraus. Daher: Sehr zuverlässige Wahrscheinlichkeitsprognosen wie bitte? BM).
„Wenn das Rückfallrisiko bei 20 Tätern mit (je Täter) 5% bezeichnet wird, dann heisst das, dass einer von 20 Tätern rückfällig wird und 19 nicht. Der eine Täter war dann trotz des Rückfalls richtig eingestuft worden.“
(Selbst Laien wissen, dass es zwei grundsätzliche Unterscheidungen gibt bei den Wissenschaften: Exakte Wissenschaften /z. B. Mathematik] und Geisteswissenschaften /z. B. Psychologie etc.!, welche letzteren niemals als ‚exakt ‚gelten können. Urbaniok aber scheint hier genau dies zu suggerieren.
Und: Der in seiner ‚Rechnung rückfällig gewordene Täter war bei diesem Ausgang eben gerade nicht richtig eingeschätzt worden, ‚richtig‘ wäre da eine 100%ige Rückfallprognose gewesen. Weitab von den prognostizierten 5%! Da lag die ‚Fehlerabweichung‘ bei den 19 nicht rückfällig gewordenen doch wesentlich niedriger! BM)

[verschiedene Quellen]
Chefarzt des PPD Zürich Frank Urbaniok operiert gerne mit falschen Zahlen. Immer wieder sagt er zum Beispiel, dass 99% aller Gewalt und Sexualstraftäter nach Ablauf ihrer Strafe entlassen werden müssen“ (z.B. in EMMA Herbst 2011; plädoyer 1/2013).
Wurden vor 1993 jährlich in etwa gleich viele Täter neu verwahrt wie welche aus der Verwahrung entlassen wurden – zwischen etwa 10 bis 20 jährlich sank die Zahl der Entlassenen nach 1993 auf durchschnittlich eine pro Jahr (Mathias Brunner, plädoyer 1/2013). Stark zugenommen hat seither die Population jener, welche nicht nach Verbüssen ihrer Strafe freikommen, Verwahrte mit oder ohne Therapiemassnahme. Es dürften heute schon um die 1000 sein schweizweit. Am Stichtag 2. September
2009 sassen gesamthaft 6084 Menschen gefangen in einer Anstalt (TagesAnzeiger 20.01.2010). Bekanntlich sind nur ein Teil davon Gewalt und Sexualstraftäter. Von diesen aber sitzt ein erheblicher Teil in einer Massnahme und wird nicht nach Verbüssen der Strafe entlassen. Somit ist die Prozentangabe von Frank Urbaniok deutlich falsch. Statt nur 1% bleibt ein sehr viel grösserer Teil dieser Gefangenengruppe nach Verbüssen ihrer Strafe in Haft. Mit weiter steigender Tendenz BM.

[TagesAnzeiger 04.12.2012]
Therapie für Straftäter: Vergangenes Jahr wurden in der Schweiz 71 psychisch kranke Straftäter zu einer Therapie verurteilt. Ein Teil davon wird, nicht selten auch mehrmals, während einer ungewiss langen Vollzugsdauer in die Sicherheitsabteilung einer psychiatrischen Klinik eingewiesen, wo sie unterschiedlich lange bleiben. Ein Tag in der Klinik Rheinau kostet pro Eingewiesenen und Tag zwischen 1’485 und 1’852 Franken.
(Rechenbeispiel: Ein Straftäter wird als 30Jähriger zu einer stationären Therapie [Art. 59 StGB] verurteilt. Nach 5 Jahren Therapie im geschlossenen Vollzug wird er als noch nicht reif für eine bedingte Entlassung beurteilt. Die Massnahme wird um weitere 5.Jahre verlängert. Schliesslich wird der Mann als untherapierhar eingestuft und unter Art. 64 StGB verwahrt. Da er nie von Urlauben etc. profitierte, hätte er eine allfällige Ungefährlichkeit auch nie beweisen können.
Angenommen, in der Zeit wurde er mehrmals in die Klinik Rheinau eingewiesen und verbrachte schliesslich total zwei Jahre dort. Da er ausserkantonal dort landete, gelten die hohen Tarife. Diese zwei Jahre kosten 1,35 Millionen Franken. Lebt der Mann noch 50 Jahre und wird, gemäss heutiger Praxis, bis zu seinem Tod nicht entlassen oder erst kurz davor, so verbringt er nebst den Klinikaufenthalten 48 Jahre in einer Strafanstalt, sehr wahrscheinlich in einer der Abteilungen mit höheren Sicherheitsstandards und mehr Personal. Diese kosten zwischen 600 und 800 Franken pro Tag und Mann, je nach Anstalt. Damit kommen für einen einzigen Massnahmegefangenen Kosten von insgesamt ca. 14 Millionen Franken zusammen. Nicht mit eingerechnet sind die Kosten für jährliche Überprüfungen, Pflichtverteidiger, Rekuiwverfahren, Gutachten, etc.
Mit solch ebenso drakonischen wie teuren Massnahmen wird dem Steuerzahler vorgegaukelt, er bekäme dafür die ‚absolute Sicherheit‘. Dass es eine solche niemals geben kann, egal wie viele Straftäter man ihr Leben lang einsperrt, ist klar. Klar ist zudem, dass sich der Steuerzahler auch anders vor unserem Beispiel-Delinquenten vor möglichen, aber keineswegs sicheren Rückfällen schützen könnte: mit einer Rundum-Bewachung-Betreuung durch speziell geschultes Personal. Das käme auch wesentlich billiger und würde ein 40jähriges qualvolles Einsperren eines Menschen ersparen BM)

Medien

Demokratiefeindliche Boulevardpresse

[Der Sonntag 38/2011]
Kommentar von Sandro Brotz: (…) Mit Journalisten streitet sich (PD Dr. med. Mario) Gmür gerne darüber, warum das Private nicht in die Medien gehört. Dazu zitiert der Autor von „Der öffentliche Mensch“ gerne Oskar Wilde: „Früher bediente man sich der Folter. Heutzutage bedient man sich der Presse.“ Gmür ist ein Insider. Er weiss, wovon er schreibt. Er hat so viele Straftäter begutachtet wie kaum ein anderer Psychologe. Er ist ein Kronzeuge. Doch was machen die Angegriffenen? (…) Sie streiten Missstände ab, bevor sie überhaupt genau hingehört haben.

[DAS MAGAZIN 48/2011]
Die Richter auf der Redaktion (zum Thema Vorverurteilung durch Blick-Redaktion bei blossem Verdacht) Der Pranger wurde in Europa in einem historischen Prozess im Jahre 1853 abgeschafft. Die Verfolgung und Bestrafung sei Aufgabe des Staates. Der Pranger löse keine Probleme, sondern schaffe höchstens welche und sei ausserdem menschenunwürdig. Heute greift „Blick“ auf diese mittelalterlichen Methoden zurück und nimmt das Gesetz in die eigenen Hände. Die Justiz scheint dies nicht nur zu dulden; Staatsanwälte und Polizei liefern auch Bilder und Informationen über Angeschuldigte via Internet.

[DAS MAGAZIN 07/2013]
Die Blick-Methode: Blick lässt einen Privatdetektiven und einen Polizisten bestechen und kommt so an Bild und Informationen eines Verdächtigen. Er stellt diesen an den Pranger und macht so aus einem Unschuldigen einen Vergewaltiger.
Staatsanwalt: Verstehe ich es richtig, dass es fur Sie keine Rolle spielt, ob Bilder illegal besorgt wurden, wenn nur feststeht, dass der Reporter sich nicht strafbar gemacht hat?
„Blick“-Blattmacher: Das stimmt.
„Wenn die Boulevardpresse in den geschützten Bereich des Staates eindringen kann, dann ist dieser Staat nicht mehr davor gefeilt, korrupt zu sein.“ (Ständerat Paul Rechsteiner)

100%ige Sicherheit? „Die Meisten sind zu Unrecht verwahrt“

[Beobachter 13/2001]
„Die grössten Probleme der Justiz: Fehlendes Tempo und Filz.“ Strafrechtsprofessor Franz Riklin: „Das fehlende Tempo ist ein Riesenproblem… Besonders schlimm ist es in Strafverfahren. Immerhin gibt es bei der EMRK ein Beschleunigungsgebot. Es ist also ein Menschenrecht, dass ein Verfahren zügig über die Bühne geht…
Der Filz in der Justiz ist ein ganz übles Thema… Hier wird leider nicht selten gesündigt. Das grösste Problem sind persönliche Verflechtungen… Wenn da ein Vorwurf gegen eine Person aus dem Filz im Raum steht, will sich niemand die Finger verbrennen. Schliesslich kennt man einander. Das fordert in starkem Masse, dass Missstände vertuscht oder bagatellisiert werden.
Hier braucht es Richter, die bereit sind, auch unpopuläre Entscheide zu fällen. Doch längst nicht alle Richterinnen und Richter haben dies begriffen.. . (Anwältinnen und Anwälte) schreiben von einer „einschüchternden Atmosphäre“ (Bezirksgericht Aarau), von Desinteresse und Beleidigungen“ (Bezirksgericht Zürich) oder von „überdurchschnittlicher Arroganz“ (Obergericht Zürich).“

[Beobachter 20/2006]
Derzeit gilt noch immer: Wer einmal verwahrt ist, kommt nicht mehr raus. Die öffentliche Diskussion über Verwahrung ist so emotional geladen, dass sie irrational wird. „Die Gefahreneinschätzung und die Bereitschaft, Risiken in Kauf zu nehmen, ist ganz unterschiedlich ausgeprägt. Im Strassenverkehr nimmt man jährlich 500 Tote in Kauf. Bei Straftätern gilt hingegen punkto Risiken eine Nulltoleranz.“ (…) Unter dem Druck der öffentlichen Meinung werden Verwahrte bis ans Lebensende weggesperrt selbst wenn sie längst keine Gefahr mehr für die Gesellschaft sind. (Dies betrifft nicht allein die vom Stimmvolk angenommene „Lebenslängliche Verwahrung“, die trat erst 2008 in Kraft, sondern auch die ’normale‘ Verwahrung nach Art. 64 StGB BM)
Im Bereich der Verwahrung herrscht ein derart grosser öffentlicher Druck, dass selbst Regierungsräte rechtsstaatliche Prinzipien ritzen. Doch niemand empört sich, denn Verwahrte haben keine Lobby. (Strafrechtsprofessor Franz Riklin)

[Beobachter 20/2006]
„Wir werden an eine Vollzugsgrenze stossen“ (Oberrichterin Marianne Heer)
Verlassen Verwahrte das Gefängnis nur noch im Sarg, wird sich die Zahl der Verwahrten in 30 Jahren bei total rund 600 einpendeln. Ein Verwahrter kostet pro Tag zwischen 500 und 1500 Franken. So entstehen dem Staat dereinst Auslagen von mehr als einer halben Million Franken pro Tag! „Spätestens dann wird sich die Gesellschaft fragen müssen, was ihr die Null-Risiko-Mentalität wert ist.“ (Heer)
(Zählt man die Verwahrten mit einer Therapieauflage dazu, haben wir heute, kaum sieben Jahre später, dieses Szenario schon weit überschritten BM).

[Beobachter 20/2006]
Seit 1993 werden kaum mehr Verwahrte entlassen. Bestand für sie früher eine gewisse Hoffnung, eines Tages wieder freizukommen, sind sie heute faktisch lebenslänglich im Knast… Nicht nur Vergewaltiger und Mörder werden verwahrt, sondern auch Inhaftierte, die in ihrem Leben nie Gewalt angewendet haben. Allein in der Pöschwies sind (z.B.) fünf Diebe verwahrt.

[BAZ 19.12.2007]
Wer als 20-Jähriger mit dem Sturmgewehr wahllos auf Menschen schiesst, ist noch kein Fall fir die Verwahrung. Bundesgerichtsentscheid über einen vom Zürcher Obergericht wegen mehrfachem versuchten Mord zu 12 Jahren Haft verurteilten Schweizer. Das psychiatrische Gutachten stufte den Mann nicht als hochgefährlich ein.

[DAS MAGAZIN 30/2009]
Der Preis für die NullRisikoStrategie: Es sitzen nun auch solche hinter Gittern, die dort nicht hingehören.

[Beobachter 21/2007]
Beobachter: Haben Medien und Öffentlichkeit einen massgeblichen Einfluss auf Verwahrungsentscheide?
Oberrichterin Marianne Heer: Ja. Wir Richter stehen unter einem unheimlichen Druck. (…)
Beobachter: Sitzen Leute in der Verwahrung, die dort nicht hingehören?
Heer: Ja. Es gibt Leute, die zu Unrecht in der Verwahrung sind. (…) Für Verwahrte ist es derzeit fast unmöglich, wieder herauszukommen, da kaum Hafturlaube bewilligt werden. Wie wollen sie denn hinter Gittern beweisen, dass sie nicht mehr gefährlich sind?

[DER BUND 20.01.2010]
Die Schweizer Gefängnisse sind voll (…) Zur Dauerbelastung werden namentlich auch die seit Jahren Verwahrten. Felix Benziger, Präsident der Schweizer Strafverfolgungsbehörden: „Die zunehmende Lange der Verwahrungen spielt bei der Belegung im Freiheitsentzug eine ganz entscheidende Rolle.“

[taz Deutschland 6.17. Jan. 2010]
Der Präsident des Bundesgerichtshofs, Klaus Tolksdorf, hält eine weitere Verschärfung der Sicherheitsverwahrung fir unnötig. (…) „Die Diskrepanz zwischen gefühlter und tatsächlicher Kriminalitätsbedrohung ist heute grösser denn je.“ Gewalt und Sexualdelikte seien nämlich rückläufig. Die Zahl der Verwahrten habe sich seit 1993 indes verdreifacht. Derzeit sitzen in Deutschland knapp 500 Personen in Sicherungsverwahrung. Der BGHPräsident warnt vor einer „Sicherheitshysterie“. (Die Schweiz wird beim gegenwärtigen Trend Deutschland bald einmal überholen. Zählt man die hierzulande ebenfalls fir ungewisse Länge in der sogenannt „kleinen Verwahrung“, also in einer geschlossenen therapeutischen Massnahme Inhaftierten dazu, hält die Schweiz also unter dem Strich schon jetzt etwa doppelt so viele Menschenfür unbestimmte Zeit in Hqft wie das etwa zehnmal mehr Einwohner zählende Deutschland! BM).

[ak Deutschland 19.11.2010]
Die geplante Neuregelung der Sicherungsverwahrung geht auf Kosten der Menschenrechte die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist ein „rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel.“ Dies ist das Ergebnis einer unter diesem Titel erschienenen wissenschaftlichen Studie des Kriminologen Michael Alex. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass ein Grossteil der Prognosen über die Gefährlichkeit nicht stimmt. Zudem fielen die derzeit gültigen Gesetzesvorschriften zur Verwahrung in punkto Rechts(un)sicherheit noch hinter den ‚,Rechts“Zustand von 1933 (!) zurück.

[WOZ 19.02.20101
In einem mehr als 100 Seiten starken Untersuchungsbericht zeigt Bundesgerichtspräsident Claude Rouiller auf, wie ein Jugendlicher von Justiz und Strafvollzug zum sogenannt „gefährlichen Insassen“ eines Hochsicherheitstrakts gemacht wurde. (…) durch ein psychiatrisches Gutachten wurde er (…) als potentiell gewalttätig eingestuft und seine Strafe durch eine Verwahrung ersetzt.
Skander Vogt (der in der Folge in einer Arbeitszelle an Rauchvergiftung starb, weil ihn das Wachpersonal aufgrund von „Sicherheitsvorschriften“ nicht retteten, gemäss diversen Quellen BA.!) war laut Claude Rouiller „weder geisteskrank noch ein gefährlicher Krimineller“. Seine Gesuche um ein neues psychiatrisches Gutachten waren während zehn Jahren abgelehnt und seine Verwahrung wegen Bagatellzwischenfällen immer wieder verlängert worden. So sinnlos wie die Verwahrung von Skander Vogt war auch sein Tod.

[WOZ 09.09.2010]
Der Fall Skander Vogt ist kein Einzelfall. 1995 wurde eine Person wegen kleiner Eigentumsverstösse zu neun Monaten Haft verurteilt. Der Vollzug wurde seither in Verwahrung umgewandelt. 2008 wurde die Person nach einer Revolte gegen die Verwahrungshaft als „gewalttätig“ eingestuft und in den Hochsicherheitstrakt verlegt. „Gewalt gegen Gewalt, das muss notwendigerweise scheitern“. Solange nichts gegen die Gewalt unternommen werde, die vom Haftsystem selbst erzeugt werde, könne es zu neuen tragischen Vorfällen kommen (eh. Nationalrätin AC Menètrey).

[TagesAnzeiger (?) 18.07.20111
Zur Fachkommission fur die Überprüfung der Anträge auf Hafterleichterungen, u.a. fur Verwahrte: „Die Kommission ist der Geist, der stets verneint“, sagt der Justizdirektor.

[DAS MAGAZIN 21/2011]
Jeder weiss, dass man dem Menschen das Recht nicht absprechen darf, sich zu verändern, sich zu verbessern, denn das gehört zum Kern einer zivilisierten Gesellschaft: den freien Willen des anderen anzuerkennen. (…) Im Normalfall könnten sich die Behörden darauf verlassen, dass das Volk weiss: Die absolute Sicherheit gibt es nicht.
Der Haken ist, dass es den Normalfall nicht mehr gibt. Die Politik hat ihn im Herbst 1993 abgeschafft. Seither gilt: Im Zweifel gegen den Verwahrten. Lieber ein paar Menschen zuviel wegsperren, als einen zuwenig das ist das unausgesprochene Leitmotiv des heutigen Justizvollzugs. Wer verwahrt ist, bleibt es. (Matthias Ninck)

[DAS MAGAZIN 21/2011]
In Sachen Verwahrung haben wir in der Schweiz die totale Blockade. (…) Richterkollegen: „Ich lasse sicher niemanden mehr raus. Sollen das, wenn schon, die oberen Gerichte tun.“ (Niklaus Oberholzer, Kantonsrichter SG)

[DAS MAGAZIN 21/2011]
Weit mehr als die Hälfte aller Verwahrten sind weggesperrt, obwohl sie in Freiheit nicht mehr delinquieren würden, wie sich die Fachleute in der forensischen Psychiatrie einig sind.

[DAS MAGAZIN 21/2011]
In den USA musste zweimal aus formalrechtlichen Gründen eine Strafanstalt geschlossen werden, alle Gefangenen wurden entlassen. Im New Yorker Fall begingen 14 der 98 als gemeingefährlich eingeschätzten Entlassenen später wieder eine Gewalttat, in Pensilvanya 60 von 414 Entlassenen. Sechs von sieben Verwahrten waren also zu Unrecht als gemeingefährlich eingeschätzt worden.

[Leserbrief dazu]
im Namen der Sicherheit: (…Matthias Ninck und) der Chefredaktion gilt meine Anerkennung, dass sie diesen nicht Mainstreamtauglichen Beitrag publiziert hat. Nachdenklich stimmt mich, dass bereits Richter von der populistischen Strafwelle eingeholt worden sind. Quo vadis justicia helveticae? (Benjamin F. Bragger, Bösingen)

[Beobachter 26/2011]
„Alle haben derart ‚Schiss‘, Verwahrte zu entlassen, dass es in verschiedenen Fällen unhaltbar geworden ist.“ (AltBundesrichter Hans Wiprächtiger)
Beobachter: Verwahrte bleiben in der Schweiz de facto lebenslänglich verwahrt. Widerspricht das nicht den Menschenrechten?
Wiprächtiger: Eindeutig.

[Verschiedene Westschweizer Medien April / Mai 2013]
Dem derzeit ältesten Schweizer Gefangenen (89) er war 2010 zu zehn Jahren Haft verurteilt worden wurde kürzlich eine Haftverschonung verweigert. Der Mann litt schon zur Tatzeit an Demenz und ist im Endstadium seiner Krebserkrankung. Laut den behandelnden Ärzten hat er noch 1018 Monate zu leben. (Wird so die „humanitäre Schweiz“ gelebt? BM).

[TagesAnzeiger 03.08.2011]
Heute werden selbst Schwerkriminelle nach kürzester Zeit wieder aus der Untersuchungshaft entlassen Mörder laufen frei herum, obwohl sie gefährlicher sind als viele seit Jahren Verwahrte (Martin Killias, Strafrechtprofessor an der Universität Zürich).
TA: Sie plädieren für Wohngemeinschaften für Verwahrte, wo zusammen gekocht und gewohnt wird?
Killias: Das ist eine Variante. Über die Umsetzung müsste man sich Gedanken machen.

[TagesAnzeiger 17.05.2013]
Strafvollzugsexperte Benjamin Brägger: „Elektronische Fussfesseln eignen sich für gefährliche Täter offensichtlich nicht.“ Er hält bereits die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit für problematisch, Fussfesseln bei Strafen bis zu zwölf Monaten auszugeben. „Denn schon ab einem Strafmass von über sechs Monaten kann es sich um gefährliche Täter handeln.“ Brägger ist Dozent an der Universität Bern.
(Nicht wenige sind heute schon nach einer ähnlich niedrigen Grundstrafe in Verwahrung. Wenn solche Aussagen wie die von Uni-Dozent Bragger weiter Schule machen, dann erreicht die Schweiz eines Tages eine Gefangenendichte wie Nord-Korea RM,).

[TagesAnzeiger 21.05.2013]
Nach dem Tod von Marie (ermordet durch Claude D., unter Hausarrest mit elektronischer Fussfessel) verlangen mehrere Experten Reformen im Strafvollzug. Es brauche ein umfassenderes Sicherheitsrecht für(!) alle gefährlichen Straftäter.
(Hier wurde einmal mehr ein Mörder, der weiterhin offensichtlich hoch gefährlich war [er gab gemäss Zeitungsberichten noch kurz/ich Thdesdrohungen von sich], schon lange vor Verbüssung seiner Haftstrafe freigelassen, versehen lediglich mit einer elektronischen Fussfessel ohne Ortungsfähigkeit.
Gleichzeitig werden schweizweit hunderte ungefährliche Personen verwahrt, ohne reelle Hoffnung auf Entlassung oder schon nur Hafterleichterung. Die Rede ist von der grossen Mehrheit unter den Verwahrten: unter anderem den sogenannten false positives‘ [fälschlicherweise als ‚gefährlich‘ eingestufte Täter] BM).

Ein grosser Schritt für …….. 
„Gestern standen wir noch am Abgrund heute sind wir einen Schritt weiter!“
 (Erich Honecker, in einer Rede vor der SED-Parteiversammiung zu DDR-Zeiten)


Verwahrungs-/Massnahmevollzug
„Der Vollzug macht alt und krank“ 
(und immer öfters tot BM)

[NZZ 23.02.2009]
Die Zürcher Gerichte sind seit Anfang 2007 mit rund siebzig Überprüfungen beschäftigt (ab Inkrafttreten der neuen Verwahrungsartikel) und haben den gesetzlich vorgesehenen Zeitrahmen längst verpasst. (Heute, fünfeinhalb Jahre nach A blauf der gesetzlichen Frist, sind noch immer nicht alle diese Überprilfungen abgeschlossen! BM).

[P.M. Dez. 2010]
Seniorenknast in Singen (D) Dort sind die Türen in Haus und Hof nicht verschlossen, auf der fünf Meter hohen Mauer gibt es keinen Stacheldraht. Wozu auch? Wer hier einsitzt ist mindestens 62 Jahre alt. Der älteste der derzeit 57 Häftlinge ist 80. „Im Alter ist man haftempfindlicher“, weiss Anstaltsleiter Thomas Maus. Schliesslich wartet ‚draussen‘ keine zweite Zukunft, sondern der Lebensabend als Rentner.

[TagesAnzeiger 04.06.20111
Neun Suizide in Zürcher Gefängnissen in den letzten zehn Jahren Ein Drittel aller Todesfälle in den Gefängnissen des Kantons waren Selbstmorde.

[TagesAnzeiger 28.06.2011]
Der Mensch ist nicht dafür gemacht, eingesperrt zu sein. (…) Entgegen dem Vorwurf der Kuscheljustiz: Der Vollzug macht alt und krank. Nach meiner Beobachtung altern Menschen in Haft schneller als Menschen in Freiheit. Ein 60jähriger in Freiheit ist heute kein alter Mensch. Ein Gleichaltriger im Gefängnis aber kämpft mit Altersbeschwerden, die einen draussen erst mit 70 erreichen (Ueli Graf, Direktor der JVA Pöschwies).

[TagesAnzeiger 28.06.2011]
TA: Eine neue Nationalfondsstudie sagt, das Gefängnispersonal sei zuwenig auf ältere Insassen vorbereitet.
Ueli Graf, Direktor der JVA Pöschwies: Hier besteht tatsächlich Handlungsbedarf
In einem Zusatz zu dem Artikel wird Abteilungsleiter Huber der Gruppe „Sucht und Pensionäre“ in der Pöschwies zitiert:
„Hier leben wir vor, dass man vor älteren Menschen Respekt hat und sie unterstützt. Zudem versuchen wir, auf ihre Bedürfnisse zu reagieren (…)“
(Diesen Aussagen begegnet ein Betroffener auf dieser Abteilung mit Erstaunen und Verärgerung: ,,So/che Äusserungen ausgerechnet von AL Huber sind der Gipfel. Von Respektfür ältere Gefangene merken wir gerade bei ihm wenig! Will einer einem älteren behinderten Mitgefangenen behilflich sein, etwa hei der Zeilenreinigung, so wird ihm das bei Strafandrohung verboten. ‚Auf Bedürfnisse reagieren heisst hier meist: mit Ablehnung und Verbot. Und wehe du beschwerst dich, denn dann gewärtigst du erst recht Schikanen. „BM).


[Beobachter 24/2011]
Nach dem Tod eines Verwahrten kritisieren Gefangene in der Strafanstalt Pöschwies die ungenügende Betreuung von Kranken und Alten. Das Problem wird sich verschärfen. Beobachter: Braucht es Seniorengefängnisse wie man sie in Deutschland kennt? Ueli Graf, Direktor der JVA Pöschwies: Das wäre ein Ansatz. Wir müssen aber eine grundsätzliche Frage beantworten: Sollen Verwahrte überhaupt noch zusammen mit Strafgefangenen untergebracht werden? Denn obwohl sie ihre Strafe verbüsst haben, bleiben sie unter einem Strafregime. (…) Die Verwahrung soll aber keine zusätzliche Strafe sein. Sie soll nur verhindern, dass gefährliche Menschen wieder in die Gesellschaft entlassen werden.

[SonntagsBlickUmfrage vom 15.01.2012]
Macht es Sinn, für Seniorenverbrecher eigene Gefängnisse zu betreiben?
Antworten: 61% ‚Ja‘, 39% ‚Nein‘.

[SÜDOSTSCHWEIZ 27.07.2012]
Jens Sommer, Direktor MassnahmeZentrum St. Johannsen: Der Gesetzgeber hat nicht bedacht, dass Leute im Massnahmevollzug älter werden.

[SÜDOSTSCHWEIZ 27.07.2012]
Im September wird das Berner Kantonsparlament über einen Kredit von 2,2 Millionen Franken für den Bau von sechs Alterswohnungen unter dem Dach des Massnahmezentrums St. Johannsen abstimmen.

[TagesAnzeiger 01.12.2012]
TA: (U.a.) sollen auch haufenweise Psychopharmaka zur Beruhigung (der Insassen der JVA Pöschwies) beitragen. Ueli Graf, abgehender Direktor Pöschwies: Sicher ist: Der Einsatz von Medikamenten macht krank. (…) Angenommen, wir würden in Regensdorf 100 Leute einsperren, die nichts verbrochen haben: Mehr als die Hälfte hätte bald massive Probleme Durchfall, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Angstzustände.

Europäische Menschenrechtskonvention: 
„Die grösste Partei der Schweiz will sie kündigen“

[TagesAnzeiger 19.02.2010]
Beim Europäischen Gerichtshof fur Menschenrechte treffen pro Tag im Schnitt 1’500 Briefe, Faxe und EMails von Menschen ein, die sich über die Behandlung durch Gerichte und anderen Behörden in ihrer Heimat beklagen. Aus der Schweiz sind (Anf. 2010) 417 Fälle hängig. Die 47 Richter behandelten 2009 zwar 30’OOO Beschwerden, aber gleichzeitig kamen 57’OOO hinzu.

[BUND 07.05.2011]
Der Berner Strafrechtler Walter Kälin, Leiter des neuen Kompetenzzentrums für Menschenrechte in Bern:
„So selbstverständlich, wie es scheint, ist die Einhaltung der Menschenrechte nicht. Die Schweiz hat oft Mühe, Menschenrechtsempfehlungen umzusetzen.“

[ZEIT online, dpa Deutschland 19.07.2011]
Sicherheitsverwahrung Bund und Länder sind nach Urteilen des Europäischen Gerichtshofs fur Menschenrechte in Strassburg zur Reform gezwungen; nach der Vorgabe aus Karlsruhe (Bundesverfassungsgericht) muss dies bis 2013 geschehen. Die Richter hatten erklärt, dass die Sicherungsverwahrung bislang zu sehr einer Haftstrafe ähnelt. Nach dem Strassburger Urteil mussten bereits eine Reihe von Tätern freigelassen werden.
(Weil die Verwahrungen in Deutschland früher auf zehn Jahre begrenzt waren und die nach neuem Gesetz unbegrenzte Verwahrung zu Unrecht auch auf altrechtlich Verwahrte anwandten BM)

[plädoyer 1/2012 Leserbriefe]
(Zum Thema Durchsetzung der Grundrechte) Ein Schweizerisches Verfassungsgericht wäre der beste Hüter der Grundrechte. Gäbe es ein solches, wäre das Prognoseprogramm Fotres von Herrn Urbaniok gar nicht erst bewilligt worden. (…) Ohne Verfassungsgericht funktioniert die Schweizer Gesetzgebung nicht. Es ergeben sich absurde Missstände. So gibt es 350 Menschen, die nach Absitzen ihrer Strafe noch im Gefängnis sind, weil sie auf ihre Therapie warten müssen. (…) Das verletzt die Grundrechte und die Europäische Menschenrechtskonvention. Das Land ist ohne ein Verfassungsgericht nicht wirklich demokratisch. (Aleksander Opacic, Regensdorf)

[ZDF-ZOOM TV Deutschland 03.05.2012]
Sicherheitsverwahrung in Deutschland Dr. Michael Angst, Jurist und Psychologe, der sich seit Jahrzehnten mit der Sicherheitsverwahrung beschäftigt: „Die Strassburger Richter haben mal deutlich gemacht, dass Deutschland in den vergangenen 13 Jahren massivst gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstossen hat. Und wir müssen uns eigentlich schämen, dass wir überhaupt bereit waren, solche Gesetze einzuführen.“ Dabei hat Michel Alex in einer Grossraumstudie herausgefunden, dass Gutachter sich auch täuschen können. Sie hatten Häftlinge als besonders gefährlich eingestuft. Aber nur ein Bruchteil wurde nach ihrer Freilassung wieder wegen Gewalt oder Sexualdelikten aufflillig. Der grösste Teil der Prognosen sei also falsch gewesen. Das heisst, dass die Gefahr, dass man jemanden für gefährlich hält, obwohl er es nicht ist, sehr viel grösser ist als die umgekehrte Gefahr.

[BBC online 18.09.2012 (England)]
Inhaftierung auf unbestimmte Zeit „verletzt Menschenrechte“. im Jahr 2005 wurde gegen drei Männer Haft auf unbestimmte Zeit zum Schutz der Öfffentlichkeit angeordnet. Die drei Männer klagten beim EMRK, dass ihr Recht auf Freiheit verletzt worden sei, indem sie nicht zu einem Rehabilitationskurs zugelassen wurden. Die Strassburger Richter sagten: „Es ist klar, dass die Zulasssungsverzögerungen auf mangelnde Ressourcen zurückzuführen sind.“ Sie fanden, dass die ungenügenden Ressourcen „die Konsequenz sind aus der Einführung drakonischer Massnahmen, ohne die dafür notwendige Vorplanung und ohne realistische Beachtung der Folgen solcher Massnahmen.“ Das EMRK sprach den drei Männern Entschädigungen zu. Juliet Lyon vom GefängnisReformFonds verlangt vom (englischen) Justizsekretär Grayling, die Fälle von 3’500 Menschen in Überhaft zu überprüfen. „Es ist beschämend, dass so viele Menschen inhaftiert sind, nicht für etwas, das sie getan haben, sondern für etwas, das sie vielleicht in Zukunft tun könnten.“, sagt Frau Lyon weiter.
(Aus dem Englischen übersetzt von BM,).

[TeleZüriText 15.03.2013]
80 UNOStaaten haben der Schweiz 140 Vorschläge zur besseren Umsetzung der Menschenrechte gemacht. 99 davon stiessen bei der Schweiz auf Anklang, 41 lehnte sie ab. Die Schweiz sichert zu, die UNOKonvention über die Rechte von behinderten Menschen zu ratifizieren oder die Anstrengungen zur Bekämpfung von Ausländerfeindlichkeit zu intensivieren. Nichtregierungsorganisationen bemängelten, dass alle Empfehlungen, die Gesetzesänderungen zur Folge gehabt hätten, abgelehnt wurden. Dem Bundesrat fehle es an Mut.

[Teletext SRFI 17.05.2013]
SVP-Präsident Toni Brunner reichte in Bern eine Interpellation ein. Seine Partei stört sich an einigen Urteilen des Menschenrechtsgerichtshofs und erwägt eine Initiative zur Kündigung der Menschenrechtskonvention. Die Antwort der Landesregierung: das würde die Glaubwürdigkeit der Schweiz gravierend beschädigen.

[DAS MAGAZIN 21/2011] 
„Those who would give up essential Liberty to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety.“ Zitat von Benjamin Franklin.
kurz: „Wer die Freiheit aufgibt um etwas mehr Sicherheit zu gewinnen, verdient weder Freiheit noch Sicherheit.“ (Matthias Ninck zum Thema zunehmender Entfernung von einer aufgeklärten, liberalen Gesellschaft bei uns).


AUS DEM JAHRESBERICHT DER JVA PÖSCHWIES 2011

Als kleine Anreicherung an Daten zu den obigen Medienauszügen

JVA Pöschwies (ohne Erweiterungsbau)

Bestand Gefangene am 31.12.2011: 310 – Davon in Verwahrung / geschl. Massn.: 80 (Berücksichtigt man eine gewisse jährliche Zunahme, dann dürfte heute ungefährjeder dritte Pöschwiesinsasse ohne ein Entlassungsdatum auf unbestimmte Zeit inhaftiert sein. 1996 waren es 27, also deutlich weniger als 10% der Insassen BM).

Rückfälle im Jahr 2011:
Rückfällig: 81
Nicht rückfällig: 229
(Demnach wurde mehr als ein Drittel der Haftentlassenen wieder rückfällig BM).

Anteil Insassen mit Schweizer Pass: 103 (Nur ein Drittel der Insassen sind Schweizer, [inklusive Eingebürgerte]. Es fehlt zwar eine Aufteilung in der Statistik in Schweizer und Nichtschweizer bei den Verwahnin gen/geschlossenen Massnahmen, jedoch scheint das Verhältnis da eher umgekehrt zu sein BM).

Anteil ältere Insassen im Jahr 2011:
50 bis 59 Jahre: 56
60 und mehr Jahre: 14
(Ungefähr jeder fünfte Insasse ist 50 bis 59 Jahre alt, 4,5% sind 60 Jahre und älter. Der Altersdurchschnitt steigt zunehmend BM).

Die Verurteilung erfolgte wegen Verbrechen gegen:
Leib und Leben (Mord, vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung, Gefährdung des Lebens etc.): 108
Sexuelle Integrität: 54
Betäubungsmittelgesetz: 69
(Der weitaus grösste Anteil sind demnach Gewaltverbrechen, gefolgt von Drogen und Sexualdelikten, letztere genau halb so viele wie Gewaltverbrechen. Es fehlt eine statistische Aufteilung der Verwahrungen/Massnahmen hinsichtlich der zugrunde liegenden Deliktarten BM).

Disziplinarvergehen im Jahr 2011:
(Computer: Von den total 346 Rapporten waren gerade mal 9 wegen Verstösse gegen das Computerreglement. Bei den Disziplinarmassnahmen schlägt der PCEntzug aber mit 134 alle anderen Massnahmen! BM).

Arrest (Bunker/Arrestzellen):
Arrestbelegung total Tage im Jahr 2011: 1’201

Finanzen:
Der Aufwand für die JVA Pöschwies betrug 2011: Fr. 49’715’331, sowie Zuschreibungen und innerkantonale Entgelte usw. Abgesehen von den kantonalen Kostgeldern pro Verurteilten (welche am Ende auch von Steuergeldem stammen BM), erwirtschaftete die Anstalt einen Ertrag aus den Gewerben von: Fr. 4’813’621

Der Gefangenenkiosk setzte Waren um für: Fr. 1’079’208

Die Snack und Getränkeautomaten erzielten einen Umsatz von Fr. 168’205

VERSORGT UND VERGESSEN – BIS HEUTE

Administrative Zwangsmassnahmen an Kindern und Jugendlichen früher – Gedenkanlass vom 11l. April 2013 in Bern

Als Mitbetroffener wurde auch ich eingeladen. Ich gehe davon aus, dass nicht wenige Betroffene unter den Verwahrten und Massnahmegefangenen sind. Die wesentlichen Auszüge aus IG „Fairwahrt?“Briefverkehr mit den Verantwortlichen:

Briefauszüge:

Aus Brief an Bundesrätin Simonetta Sommaruga vom Bundesamt für Justiz und an neun weitere Adressaten von Unterzeichnern der Einladung zum Gedenkanlass für eh. administrativ versorgte Menschen, von Ostern 2013:

(…) Selbstverständlich können Verwahrte solchen Einladungen keine Folge leisten, so gerne sie dies auch täten…

Dennoch ist es vermutlich nach vollziehbar, wenn jene heutzutage auf unbestimmte Zeit Versorgten‘ (Verwahrten), welche seinerzeit schon als Kinder und/oder Jugendliche zu Unrecht versorgt worden sind, ein gewisses, vielleicht auch hohes Mass an Bitterkeit verspüren…

Wie verträgt sich die heutige Einsicht in das Unrecht ferner Vergangenheit seitens Behörden mit den unbestreitbaren, gleichzeitigen Wissen ob dem heutigen, in vielen Fällen vielleicht noch weit grösseren Unrecht, Verwahrte, welche ihre Strafe längst vollständig verbüsst haben, weiterhin, am liebsten bis an ihr Lebensende, in Strafanstalten eingekerkert zu behalten? Wäre der rubrizierte Gedenkanlass nicht auch die Gelegenheit, für wissende, rechtschaffene Menschen, um auch einmal auf heutiges Unrecht hinzuweisen? (…)

Verdienten es nicht gerade auch die einstigen Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen, welche heute in Strafanstalten verwahrt sind und allein schon daher erneutes Unrecht erleiden, dass Mitmenschen wie Sie, in Ihrer einflussreichen Position, wenigstens ein wirklich unabhängiges Hinsehen zu erwirken sich bemühen?

Gezeichnet Beat Meier IG „Fairwahrt?“

Aus Antwort im Auftrag von BR Sommaruga vom 09.04.2013:

(…) Ihr Anliegen können wir leider nicht aufnehmen…
Die Vorwürfe, die bei den fürsorgerischen Zwangsmassnahmen vor 1981 im Raum stehen (keine geregelten Verfahren, teilweise keine Möglichkeit auf Weiterzug, keine oder ungenügende Aufsicht, keine bundesrechtlichen Mindestvorschriften, usw.) treffen bei einer Verwahrung nach geltendem Recht, so einschneidend und belastend eine solche im Einzelfall auch sein mag, nicht zu…
Gezeichnet Michael Leupold Direktor Bundesamt für Justiz.


Aus Antwort von CURAVIVA (Verband Heime und Institutionen Schweiz vom 18.04.2013:

Herzlichen Dank für Ihren informativen Brief. Ich habe diesen interessiert gelesen. Ihre Fragen haben mich zum Denken angeregt. Deshalb habe ich mir auch erlaubt, Ihren Brief denjenigen operativ verantwortlichen Mitarbeitern von CURA VIVA Schweiz zur Einsicht vorzulegen, welche sich ebenfalls mit dem Thema auseinander setzen…
Es ist unser Bestreben, dass mit dem Thema verbundene Fragen wie beispielsweise (…) auch die von Ihnen genannten Aspekte angegangen werden und wir uns um ein „wirklich unabhängiges Hinsehen“ bemühen.

Gezeichnet Dr. Ignazio Cassis Präsident CURAVIVA Schweiz

In einem persönlichen Folgebrief an Bundesrätin Sommaruga gab ich meiner Enttäuschung über die Antwort von Herrn Leupold Ausdruck und beschrieb, zur Veranschaulichung des heutigen Unrechts im Zusammenhang mit ‚Versorgung‘ unter einer Massnahme im Vergleich zum früheren Unrecht administrativer Versorgung, als Beispiel, eigene einstige Erlebnisse und in groben Zügen den Verlauf meiner Verwahrung und deren Vollzug.
Ich wies auf den bedenklichen Trend hin, bei welchem die elementarsten Grundrechte aufgrund oftmals äusserst fragwürdigen und in jedem Fall unsicheren Gerichtsgutachten missachtet werden und stellte die Frage, wo uns dies alles hinführen wird, wenn dem nicht Einhalt geboten werde. Entsprechend mahnte ich Frau Sommaruga zur Intervention an und rief sie dazu auf, kraftvoll und mutig der heutigen Angst und Hasspolitik und der dadurch zunehmenden egoistischen Gleichgültigkeit im Volke entgegen zu steuern.
In einem Folgebrief an Herrn Dr. Cassis dankte ich sehr für die freundlichen Zeilen und für sein Versprechen hinsichtlich „unabhängiges Hinsehen“. Ich stellte die Frage in den Raum, wie konkret ein solches Hinsehen geschehen könne, ob beispielsweise die Schaffung eine Kommission angestrebt würde, bestehend aus von Justiz und Justizpsychiatrien unabhängigen Juristen und Psychiatern, welche dem Abstandsgebot (Abkehr vom heutigen Verwahrungsvollzug, der einer Zusatzstrafe gleichkommt) Nachdruck verleihen könnten und würden, sowie zumindest einmal besonders fragwürdige Verwahrungs, bzw. Massnahmefälle unter die Lupe zu nehmen beauftragt würden.

Von EJPDSeite wurde die ‚Angelegenheit‘ am 16. Mai 2013 mit kurzem Schreiben des Generalsekreteriats ‚erledigt‘. Per B-Post. Auszug:
„Wir bitten Sie um Verständnis, dass die Departementsvorsteherin respektive die Amtsdirektoren keine fortlaufende Korrespondenz mit Bürgerinnen und Bürgern führen können.“

IN EIGENER SACHE

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Chiffre Fw1020: Mann, 52, NR, seit langem präventiv im Freiheitsentzug, sucht Kontakt / Beziehung zu Mann, ‚drinnen‘ oder ‚draussen‘, vorerst schriftlich/ev. telefonisch, später gerne auch fürs’s spätere Leben. Interessiert? Dann freue ich mich über Deine KontaktAufnahme! Zuschriften an: IG „Fairwahrt?“; do R.S.; Postfach 1; 3326 Krauchthal.